Die Castortransporte ins Wendland

Wir sind wieder zu Hause. Ungefähr zeitgleich ist der Castor ins Zwischenlager eingefahren und wir waren nicht mehr dabei. Und zumindest für mich war das wohl auch richtig so – auch wenn es sich nicht so anfühlt - muss ich doch morgen früh um 6 Uhr wieder aufstehen und nach Berlin fahren. Mein letzter Tag stand im Zeichen der Polizeiaussagen der besondern Art. Wir touren wie gehabt durchs Wendland,  aber egal wohin wir wollen, überall Polizeikontrollen. Von mir: „Schönen guten Morgen (guten Tag), wir wollen nach xyz zu unseren Abgeordneten.“ Und je nach Stimmung und Temperament der jeweiligen PolizeibeamtInnen kommen unterschiedliche Ansagen zustande. Hier eine kleine Auswahl: „Hier geht das nicht, aber wenn Sie über yyy fahren, da ist dann eine andere Kontrolle…“ - „Das ist heute eher schlecht...-“ – „Da ist gerade so eine Lage…“ – „Ja, dann fahren Sie doch…“

3:46 Uhr, das Telefon klingelt: „Sorry, aber wir brauchen Euch. In Harlingen wird geräumt“. So fängt mein Tag doch reichlich früh an, nachdem ich auch nicht so sehr früh ins Bett gekommen bin. Duschen fällt aus, es eilt. Und ab 4 Uhr wird geshuttelt, was das Zeug hält. Müde BlockiererInnen freuen sich, dass sie nicht noch viele Kilometer bis Hitzacker latschen müssen und lassen sich gern von uns fahren. Auf unseren zahlreichen Shuttletouren passieren wir immer mal wieder den martialisch bewachten Streelzer Kreisel bei Hitzacker. Das hat schon seinen Grund, denn im letzten Jahr war er von einigen Treckern kurzerhand dicht gemacht worden und hatte damit den Polizeinachschub aus Lüneburg und Lüchow zum Erliegen gebracht. Umso erstaunter sind wir morgens gegen 8 Uhr, ihn „schutzlos“ vorzufinden. Michael nimmt dies zum Anlass, das Radio Freies Wendland darüber zu informieren und um Trecker zu bitten. Als wir am Nachmittag den Kreisel passieren wollen, kommt es zum Stau. Vier zufällig hintereinander fahrende Traktoren werden jeweils einzeln mit Polizeischutz über die Kreuzung geleitet.

Es muss ja mal gesagt werden: Letztes Jahr haben wir uns auf der Castordemo im Wendland echt grün über die vielen grünen Luftballons geärgert. So viel Grün steht den Grünen auf einer Anti-Atom- und Anti-Endlagerdemo ja nun wirklich nicht mehr zu, zumal der grüne Ministerpräsident Kretschmer propagiert, Anti-Atom-Demos seinen nicht mehr zeitgemäß. Dieses Jahr sollte es also besser werden und es wurde besser. Die roten Luftballons überwiegen bei weitem, wir sind stolz auf uns. Und die Wendlandbewegung kann auch zufrieden sein. 23.000 Menschen auf der Demo und noch mal zusätzlich rund 3.000 Menschen um und an der Schiene, das hat zwar nicht das Vorjahr getoppt, aber alle anderen Auftaktdemos schon. Auch die Wettergöttin scheint diesmal auf unserer Seite. Schon am Morgen verziehen sich die Wolken und die Novembersonne gibt alles was sie kann.

Heute steht „Kurts Garten“ auf dem Programm. Wie schon in den letzten Jahren lädt die Linksfraktion Niedersachsen dort zu einer öffentlichen Fraktionssitzung ein. Mit Blick auf die Schienen treffen sich diesmal Mitglieder der Linksfraktionen aus Niedersachsen, Bremen, und Brandenburg, sowie MdBs der Linken aus Niedersachsen, Sachsen, Bayern und Thüringen mit den Menschen aus dem wendländischen Widerstand und umherum, wie beispielsweise aus der BI gegen Atommüll in der Asse. Und jedes Jahr wird es ein bisschen voller in Kurts Garten.

…und wieder einmal ist es so weit: Der Castor soll durch das Wendland in das Zwischenlager Gorleben rollen. Und wie immer bin ich auch wieder dabei, mich am Widerstand gegen diese unsinnigen Transporte zu beteiligen.

Heute am Mittwoch haben wir angefangen unsere Infrastruktur herzustellen. Das Wahlkreisbüro von Kurt Herzog, MdL Niedersachsen und Doro Menzner MdB in Dannenberg wird aufgerüstet und wird während der Transporttage 24 Stunden geöffnet sein.

http://www.castorticker.de/ wird in den nächsten Tagen eine wichtige Informationsquelle sein. Über den Ticker erfahren wir immer das Neueste zum Castor und können unsere Aktivitäten daran ausrichten.

Morgen früh – 24.11. 9:30 - geht die traditionelle SchülerInnendemo in Lüchow los. Das wird mein erster „Einsatz“. Ich habe eine rote Umhängetasche dabei, die mit vielen Trillerpfeifen gefüllt ist. Ich habe das Gefühl, dass ich damit dort gut aufgehoben bin. Anschließend treffen wir uns wieder im Büro und schauen mal, was der Tag noch so hergibt. Eine Tour durch die verschiedenen Camps steht auf jeden Fall auf dem Programm. Landmaschinenschau mit anschließendem Laternenumzug in Metzingen, Demo in Lüneburg oder?

Nachdem der Castor in Frankreich am Mittwoch abgefahren ist, parkt er heute schon den ganzen Tag in Rémilly. Im Wendland treffen derweil so nach und nach immer mehr Menschen ein.
Am Vormittag formiert sich die SchülerInnendemo in Lüchow, Treffpunkt ist wie immer der Busbahnhof, der sich langsam, aber allmählich füllt. Die jüngsten TeilnehmerInnen sitzen noch im Kinderwagen, die Ältesten sind schon längst Oma oder gar Uropa. Einige SchülerInnen möchten vorher noch schnell den Einkauf erledigen. Die Polizei kontrolliert, ob Schüler Eier gekauft haben - seit wann ist Eierkaufen verboten? Die Demoleitung spricht von 1.400 TeilnehmerInnen, die Polizei von 2.000. Ich bin der Meinung: Die Polizei hat ausnahmsweise mal recht.

Der Focus hat eine wirklich gute Fotostrecke zu den Castortransporten und - protesten veröffentlicht. Einen Rückblick aus dem Protestbündnis findet sich hier. Und meine Fotos habe ich an den Anfang dieses Berichtes gestellt.  Die Qualität läßt teilweise zu wünschen übrig...           

5484 Minuten oder auch 3 Tage, 19 Stunden und 24 Minuten waren die Castorbehälter unterwegs. Die Anti-Atom-Bewegung im Wendland hat damit einen neuen „Streckenrekord“ aufgestellt, die Transportzeit wieder einmal verlängert und den Transport verteuert. Wie absurd ist es, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern, ohne zu wissen, wohin mit dem über viele Generationen hinaus gefährlich strahlendem Müll. Über Tage hinweg haben wir blockiert, gefroren, gesungen, getanzt und in vielfältigen Aktionsformen den Widerstand gegen diese unsinnige Politik formuliert.

Gestern - Sonntag - entstand in den frühen Morgenstunden eine Schienenblockade bei Harlingen. Im Laufe des Tages kamen immer mehr Menschen dazu. Auch wir machten uns auf den Weg, nach dem wir an der öffentlichen Fraktionssitzung bei Kurt Herzog teilgenommen hatten. Ungefähr um 14:00 Uhr erreichten wir Harlingen, parkten den roten Bus der Landtagsfraktion am Rande eines Kreisels und wanderten los. Mit dabei u.a. auch der Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen Linksfraktion Manfred Sohn. An der Schiene war über mehrere Kilometer heftiger „Wanderverkehr“.

Gestern war die große Kundgebung im Wendland – die BI-Spitze sprach von 50.000 TeilnehmerInnen. Auch wir waren natürlich mitten drin mit vielen roten Luftballons, die von den TeilnehmerInnen oft "rot-grün" verbunden wurden. Insgesamt kann mensch die Proteste gegen die Atompolitik der Bundesregierung schon jetzt als höchst erfolgreich bezeichnen, obwohl bei Weitem noch nicht alles vorbei ist, ganz im Gegenteil.

1.400 Menschen auf der SchülerInnendemo. Toll, wie viele junge Menschen heute vormittag ihren Schulalltag "verlegt" haben. Nach der Demo geht es für mich ins Wahlkreisbüro von Kurt Herzog in Dannenberg. Sowohl das Wahlkreisbüro wie auch das Zelt der Linksfraktion wollen wir in den nächsten Tagen rund um die Uhr besetzt halten.

Außerdem fahren meine Kollegin und ich mit roten Bussen durch's Wendland, um den Personen- und Warentransport von "hier nach da" aufrecht zu erhalten. Es werden rund 30.000 DemonstrantInnen erwartet, da gibt es gut zu tun.