Infotour Erneuerbare Energien

Heute Morgen ist die Infotour Erneuerbare Energien durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gestartet, an der auch ich teilnehme. Sie gehört zu der Strategie des sozial-ökologischen Umbaus, den sich DIE LINKE ins Programm geschrieben hat. Da aber Papier geduldig ist, ist hier auszuschwärmen und danach zu fragen, welche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen. Und nicht reden, sondern zuhören gehört zu den Hauptaufgaben dieser Tour.

Leider ging es deutlich langsamer los als geplant. Der gemietete Bus brauchte schon mal geschlagene 20 Minuten, um die ersten 200 m Luftlinie zu überwinden, es lebe der Bauboom in Berlin und die damit verbundenen Staus. Ich weiß schon, warum ich mich eigentlich nur per Pedes und Pedale durch Berlin bewege, das stresst zwar auch, aber nicht so wie diese Ansteherei im Stau.
Aber dann haben wir es doch geschafft und nur mit einem Viertelstündchen Verspätung die Parteizentrale in Senftenberg erreicht. Liebevoll vorbereitet steht dort Wasser, Kaffee und Kuchen auf dem Tisch. Leider ist keine Zeit, diese Gastfreundschaft zu genießen. Und wenn ich auch nur kurz in den Räumen des Kreisverbandes bin, so ist mir doch aufgefallen, welche wunderbaren Fotos dort an der Wand hängen. Eine Genossin hat aus den belasteten Pfützen des Tagebaus mit ihrer Kamera kleine Kunstwerke geschaffen und beschriftet.
Dann geht es in das Reich der Superlative der erneuerbaren Energien. Wir besichtigen die weltweit !! größte Photovoltaikanlage und erfahren auch gleich, dass dort ganz in der Nähe der zurzeit leistungsstärkste Windkraftpark ist. Das ist eine Seite von Brandenburg, die ich noch nicht kannte. Abschließend geht es zu einem öffentlichen Kolloquium an die HS Lausitz, wo wir uns mit örtlichen Akteuren und Fachleuten zur Energiewende austauschen. Hier wird die Energiewende sehr unterschiedlich bewertet. Als von einem, der es besser wissen müsste, der Klimawandel bezweifelt wurde, hatte ich ernsthaft Mühe einen erbosten Zwischenruf zu unterdrücken. Leider gibt es noch viele „Bedenkenträger“, die an entscheidenden Stellen sitzen. Schade eigentlich, es gibt noch viel zu tun und viel zu informieren und zu überzeugen.
Im Anschluss daran sind wir dann im leichten Mieselregel mit Clara und Foldern durch die Innenstadt von Senftenberg gegangen und haben den Kontakt mit den BürgerInnen gesucht. Welch ein Unterschied in der Akzeptanz bei den BürgerInnen zum Wahlkampf in NRW!

Der heutige Tag steht im Zeichen der Bürgerbeteiligung an den Erneuerbaren Energien. Am Vormittag besuchen wir Feldheim, einen Ortsteil von Treuenbrietzen. Ja, genau: „Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar hold und tuuugendhaffft…“ Später sehen wir dort auch die Sabinchenschenke, das Sabinchentor und die Sabinchenapotheke. Aber zurück nach Feldheim. Dort hat der Bürgermeister von Treuenbritzen – der übrigens vor einiger Zeit mit seiner gesamten Ortsgruppe aus der FDP ausgetreten ist – von seinem Vorgänger das Projekt „energieautarkes Dorf“ übernommen und fortgeführt.

Für mich ist das nach Jühnde bei Göttingen das zweite Dorf dieser Art, das ich besichtige. Es ist spannend, wie unterschiedlich die Konzepte sein können.Wir besichtigen Windräder, Solarfeld  und Blockheizkraftwerk, erfahren von der dazugehörenden Biogasanlage, die mit Gülle, Maissilage und Getreideschrot gefüttert wird. Da sich die Einspeisung der Energie ins öffentliche Netz als zu kompliziert herausgestellt hat, haben die Feldheimer einfach mit Landes- und EU-Mitteln ein eigenes Netz gebaut, in das die Energie kostengünstig für die BürgerInnen eingespeist wird. Als Eigentumsstruktur wurde eine GmbH & Co KG gewählt, da könnte ich mir allerdings Besseres, beispielsweise eine Genossenschaft vorstellen.
Im Dorfgemeinschaftshaus – ausgestattet mit unzähligen Pokalen der hiesigen Fußballmannschaft – treffen wir auf meinen ehemaligen Kollegen Daniel, der derweil zum Staatssekretär des Brandenburgischen Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz aufgestiegen ist.
Mittags geht die Fahrt weiter nach Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. Dort besuchen wir die Akademie für nachhaltige Entwicklung, ein sehr beeindruckendes Projekt, das u.a. vom Wolfgang Methling in seiner Zeit als Umweltminister angestoßen wurde. Die Akademie – als Stiftung aufgebaut – begann ihre Arbeit mit der Vergabe von Projektmitteln, entwickelte dann aber einen eigenen Ansatz der Umweltarbeit. Es würde diesen  Blog überlasten, wenn ich hier die Strategie der Akademie aufzeige, das ist auf deren Internetseiten http://www.nachhaltigkeitsforum.de/ besser nachzulesen. Was mich aber besonders beeindruckt hat, ist hier das Verständnis oder die Interpretation von Nachhaltigkeit mit „mehr Zufriedenheit bei weniger Ressourcenverbrauch“ und der Anspruch an eine Veränderung der Gesellschaft weg von „das kann ich mir leisten“ hin zu „Nur so kann ich mir das leisten!“ Inzwischen hat die Akademie in mehr als 80 Dörfern den Gedanken an (Bio)Energiedörfer angestoßen, die zwar bei weitem noch nicht alle fertig sind, doch der Ratsbeschluss zur Umsetzung besteht dort schon und das Interesse auch anderer Dörfer ist ungebrochen.

Der dritte und letzte Tag der Energietour steht im Zeichen der Windkraftindustrie. Wir besichtigen zwei Hersteller von Gondeln für Windmühlen. Ich habe mir diese Gondeln – das sind die Kästen oben am Turm, an denen die Rotorblätter befestigt sind – deutlich kleiner vorgestellt. Sie sind in der Größe durchaus mit einem Reisebus für 50 oder mehr Personen vergleichbar.  In ihnen befindet sich die gesamte Technik, die die Stromerzeugung durch Wind möglich macht.

Wir besichtigen zunächst die Firma Nordex, die derweil nicht nur europa- sondern weltweit tätig ist und im Anschluss daran die deutlich kleinere e.n.o. ernergy, die sich gerade im 4. Produktionsjahr befindet. E.n.o. beschränkt sich zurzeit auf den deutschen Markt, will es dabei aber nicht belassen. Windkraft boomt, das ist insbesondere bei diesen Werksbesichtigungen nicht zu übersehen.
Zwar finde ich es auch mal spannend, durch die Fertigungshallen zu bummeln, habe aber immer noch die Akademie für Nachhaltigkeit von gestern im Kopf – dort wäre ich gern länger geblieben und hätte mehr erfahren und gelernt. Die ostdeutschen Bundesländer haben im Bereich der Erzeugung von regenerativer Energie die Nase vorn. Das gibt ihnen einen Erfahrungsvorsprung, den die westdeutschen Bundesländer nutzen könnten. Denn die Erzeugung regenerativer Energien hat nicht nur Vor- sondern auch Nachteile. Wer hat schon gern einen Windpark vor der Haustür oder wird den ganzen Tag von Lastwagen mit Maisschnitzel für Riesenbiogasanlagen in seiner Ruhe gestört. Und der industrielle Ruf nach einem Nord-Südausbau der Netze zeigt, dass auch Offshore-Windanlagen nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Hier gibt es noch viel zu überdenken, obwohl ich nach wie vor sicher bin: diese Energieformen sind unsere Zukunft. Doch das geht über das technisch Machbare weit hinaus. Es darf sich nicht auf den Austausch der Großindustrie für Atomkraft und Kohleheizwerke hin zur Windkraft- und Solarindustrie beschränken. Ich war schon vor 20 Jahren überzeugt, dass eine Energiewende nur dezentral wirklich nachhaltig sein kann. Diese Reise hat mich darin bestätigt, mich gelehrt, dass es dazu einen gesellschaftlichen Wandel brauch.  Mir wurde aber auch ganz deutlich gezeigt, dass zum Einen der Weg dorthin noch lang ist und zum Anderen unsere Bundesregierung – mal wieder – falsch abgebogen ist.