Mediation und Klärungshilfe

Ab 1997 habe ich mich nebenberuflich an der Uni Hannover in Zusammenarbeit mit „Brückenschlag Lüneburg e.V.“ als Mediatorin ausbilden lassen und mich auf Gruppenmediationen spezialisiert. Diese Ausbildung hat viel bei mir bewegt. Mir ist neben vielem anderen klar geworden, wie leicht sich Menschen missverstehen können, wie ein regelmäßiger Austausch von Informationen Missverständnissen vorbeugt und nicht zuletzt, dass die Qualität von Dienstleistungen und Produkten wesentlich von guter Kommunikation und der Kooperation von Menschen miteinander getragen wird. Ob Verwaltung, Produktionsstätte oder politische Gruppe – Menschen, die miteinander arbeiten und sich dabei „verstehen“, die sich bestenfalls mit einem gemeinsamen Ziel identifizieren, arbeiten zufriedener und erfolgreicher. 

Ab 2011 habe ich mich im Bereich Konfliktbearbeitung weitergebildet und meine Mediationskenntnisse um den Bereich "Klärungshilfe" erweitert. Diese Form der Konfliktbearbeitung bevorzuge ich inzwischen, da sie meiner Erfahrung nach die Konflikte und die damit verbundenen Gefühle deutlicher auf den Punkt bringt und damit dazu beiträgt, diese Konflikte dann auch wirklich  bearbeiten zu können.

Wenn Sie Interesse an einer Mediation/Klärung haben, können Sie gern Kontakt zu mir aufnehmen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder auch 0174-9122351

 

war es uns bei der letzten Sequenz unserer Fortbildung zur Klärungshilfe dann wahrlich. 12 Tage in drei Etappen hatten wir gelernt, geübt, Morgenrunden und Musikmedidationen ausgehalten. Dann ging es an’s Abschiednehmen, auch das war manchmal schwer auszuhalten.

JedeR bekam eine Laudatio zum überreichten Zertifikat gehalten, so unterschiedlich in ihrer Tiefe und Ausgestaltung wie die TeilnehmerInnen selbst und nun sind wir nicht nur MediatorInnen, sondern MediatorInnen im Stile der Klärunghilfe.

Ich befinde mich in Teil drei und damit in der Schlusssequenz meiner Fortbildung. Noch mal vier Tage ganz im Zeichen der Klärungshilfe. Neben der Wehmut der Endlichkeit und damit auch dem Ende einer Gruppe, in der ich mich extrem wohl fühle, ist in natürlich noch jede Menge los. Neues Kernstück der Fortbildung ist das Modell „Haus des Erklärens“. Nachdem wir durch die Höhen und Niederungen des „Dialogs der Wahrheit“ gewandert sind – ich liebe es, endlich wird mal „Tacheles“ gesprochen – kommt es nun zur Zusammenführung der vielen verschiedenen Wahrheiten der Beteiligten …und mit viel Glück auch zu einer Lösung, obwohl die von ehrlichen KlärungshelferInnen nie versprochen wird.

In meinem heutigen Rollenspiel hat es genau so etwas auch nicht gegeben. Ganz wie im wahren Leben winkten Kompromisse, Scheinlösungen und Halbwahrheiten, doch ganz zu Schluss stellte sich dann doch heraus: Es geht halt nicht! Eine bittere Erfahrung für KlärungshelferInnen und Beteiligte, aber getreu dem Motto: „lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“ entschieden sich die TeilnehmerInnen für eine Trennung der Geschäftsbeziehung. Ganz ohne Kadi und beteiligte JuristInnen – dank der Klärungshilfe. Na klar ist es schöner, ein Happy-End zu erarbeiten oder eine „win-win-Lösung“, aber besser die Klarheit in der Wahrheit statt das Versinken im Sumpf.

Hinter mir liegen die vorletzten vier Tage meiner Fortbildung zur Klärungshelferin. Und wie immer nach diesen Tagen geht mir vieles durch den Kopf, dieses Mal insbesondere die Frage: Taugt die Klärungshilfe für Spannungen aus meinem Arbeitsfeld?

Also sinniere ich über Konstellationen, von denen ich aus Kreistags- und Ratsfraktionen,  unter MitarbeiterInnen und ihren Vorgesetzten oder auch an „der Basis“ gehört habe. Vergleiche mit Situationen, in denen ich schon mit oder manchmal auch ohne Erfolg vermittelt habe und stelle wieder fest: Das ist es! 
Es verlangt von den Teilnehmenden keine Vorkenntnisse, kein innehalten und auf die ungewohnte „Ich-Botschaft“ ausweichen müssen. Ungleichheiten und Aneinandervorbeireden zwischen den Kampfhähnen und – hennen werden durch „Doppeln“ ausgeglichen. Und es wird „Tacheles“ geredet. Selbst auf das - für mich krampfhafte - Festhalten der „Freiwilligkeit“ in der Mediation wird verzichtet. Vorgesetzte könne ihre MitarbeiterInnen verpflichten, per Vorstand-Beschluss kann der gesamte Vorstand „verdonnert“ werden. Das mag dem einen oder anderen nicht gefallen, hat aber den Charme, dass nicht einE EinzelneR eine ganze Gruppe ausbremsen kann, weil er oder sie nicht mitmachen will. Ich habe gelernt, dass auch die Verweigerer sich mit der Zeit dem Verfahren nicht entziehen können und mit einsteigen. Und es gibt ein Ergebnis – so oder so.

Es waren vier sehr spannende aber auch anstrengende Tage. Selbst am Montag war ich noch richtig platt. Ziemlich am Anfang der Fortbildung wurde schnell klar, hier handele es sich um eine "Fleisch"ausbildung nicht um eine "Papier"ausbildung, a la „das muss in Fleisch und Blut übergehen“. Und  ich kann nur bestätigen: Da war reichlich Substanz in Theorie wie in Praxis.

Aber mir ist auch klar, für die nächsten zwei Blöcke muss ich vorher noch mal tief in den 3 Bänden der Klärungshilfe versinken. Aufarbeiten, was ich diesmal gelernt oder vertieft habe, schauen, wo es noch hängt und mir einen riesigen Brocken Theorie einverleiben, damit ich beim nächsten Mal noch mehr Kraft in die Praxis in den Rollenspielen stecken kann. Ich nehme mit nach Hause: „JedeR hat ein Recht auf meine Meinung!“ Das erklärt mir so manchen Diskussionsbeitrag, den ich im politischen Kontext  ertragen muss.

"Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?" (Kurt Marti) 

Ich bin auf dem Weg ins Tagungshaus Rommerz in der Nähe von Fulda. Dort erwarten mich vier spannende Tage voll mit neuen Erfahrungen und Methoden zur Klärungshilfe. Die Klärungshilfe als Verfahren der Konfliktvermittlung in Betrieben, Gruppen oder auch in der Familie beinhaltet eine unmissverständliche Botschaft: „Wahrheit heilt“.

In rund 80 Unterrichtsstunden, aufgeteilt in 3 Blöcke a vier Tagen, werden wir uns diesem Thema widmen. Letztes Jahr im April hatte ich schon mal die Chance in diese Methode hinein zu schnuppern und bin dort überzeugt worden, das könnte auch einen Methode sein innerhalb meines Berufsfeldes Gruppen in ihrer Konfliktbewältigung zu unterstützen.

Ich bin heute in anderen Arbeitszusammenhängen auf das „Ich bin nicht zuständig“-Problem gestoßen. Dieses Problem, dass sich manchmal auch in der „Das weiß ich auch nicht“-Variante zeigt oder durch sie ergänzt wird, ist eine Verhaltensweise, die bei mir irgendwas zwischen Heiterkeitsausbruch und Schreikrampf auslöst - je nach Situation und Stimmung.

Ich weiß, dass hinter dieser Abwehraktion meist ein überlasteter und unmotivierter Mitmensch steht. Schlechtes Arbeitsklima durch Arbeitsverdichtung, fehlende Schulungen, mangelnde Kommunikation der Strukturen und vieles andere mehr sind die Auslöser. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass - wenn das Arbeitsklima stimmt - sich auch das „Ich bin nicht zuständig - das weiß ich auch nicht“ in ein freundliches „Da sind Sie bei mir zwar nicht so ganz richtig, aber selbstverständlich helfe ich Ihnen gern weiter“ ändert. Das macht gute Laune, bei allen Beteiligten.

Meine Fortbildung zur Konfliktbearbeitung - zur Klärunghilfe - arbeitet noch in mir nach. Neben vielem Neuen wurden die Gedanken frisch sortiert, die Hirnschubladen entrümpelt und alte Erkenntnisse wieder entdeckt. Insbesondere freue ich mich, dass ich das Enneagramm wieder gefunden habe, ein Modell, das mir in vielen Konfliktschlichtungen weiter geholfen hat. Leider ist mir der theoretische Hintergrund dazu im Laufe der Jahre fast verloren gegangen, wie es den Dingen geschehen kann, mit denen wir uns nicht regelmäßig befassen. Das Enneagramm ist eine Theorie über die menschliche Entwicklung, dessen Wurzeln weit zurück liegen. Ennea ist griechisch und bedeutet "neun", gramma bedeutet "System" oder "Modell". In den 90er Jahren wurde es von Therapeuten und Psychologen wieder entdeckt und weiter entwickelt.

Es beschreibt die menschliche Wahrnehmung als ein System, mit neun unterschiedlichen Wahrnehmungsstilen, die jeweils durch neun recht unterschiedliche Grundmotivationen gesteuert werden. Dieses Zusammenspiel von Grundmotivation und Wahrnehmung ist die individuelle Leitlinie für unser Denken, Erleben und Handeln, denn jeder Mensch nimmt erst einmal „seine“ Realität als „die“ Realität wahr. Aus diesem Muster heraus entstehen Handlungsstränge, Lebensphasen und eben auch Konflikte. Jede und Jeder hat schon mal erlebt, wie Menschen „meilenweit“ an einander vorbeireden und sich nicht verstehen können.

Jeder Mensch hat seine besondere Begabung, eine eigene Biographie und ist einzigartig. Dennoch können wir mit der Theorie des Enneagramms unseren persönlichen Wahrnehmungsstil und die daraus resultierenden Handlungen aufdecken. Wir können erkennen, in welcher „Wahrnehmungsschublade“ wir gerade stecken, die uns einschränkt, die unser Handeln leitet und dass die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Menschen gar nicht so zufällig sind, wie wir dachten.

Aber Achtung: Die Zuordnung zu einem der neun Persönlichkeitstypen kann sich auch als schwierig erweisen, da kein allgemein anerkannter Test existiert und die Zuweisung damit notwendigerweise subjektiv erfolgen muss. Fehleinschätzungen entstehen dann, wenn nur wenige Aspekte eines Menschen anstatt das Gesamtbild betrachtet werden.

Zwinkernd Zur Theorie eine kleine Geschichte: Nasruddin segelt mit einem Gelehrten über eine stürmische See. Als er etwas sagt, das grammatisch nicht ganz richtig ist, fragt der Gelehrte: Haben Sie denn nie Grammatik studiert? - Nein. - Dann war ja die Hälfte Ihres Lebens verschwendet! - Kurz darauf dreht sich Nasruddin zu seinem Passagier um: Haben Sie je Schwimmen gelernt? - Nein. Warum? - Dann war Ihr ganzes Leben verschwendet, wir sinken nämlich!

Heute hat meine Weiterbildung „Turturs Werkstatt - Klärungshilfe für MediatorInnen“ angefangen. Zur Einstimmung hat uns unser Teamer die Geschichte von Turtur erzählt. Die Geschichte basiert auf dem Kinderbuch von Michael Ende „Jim Knopf und der Lokomotivführer“ aus dem Jahr 1962.

Eine kleine Insel im Meer - Lummerland - erhält eines Tages einen neuen Bewohner: Der Postbote bringt ein Paket, in dem sich ein kleiner schwarzer Junge befindet. Das kleine Waisenkind erhält den Namen „Jim“, weil es „genau so aussieht“, und wird von der Ladenbesitzerin Frau Waas großgezogen. Als der Junge Jim Knopf größer wird, wird die Insel zu klein für alle ihre Bewohner und Lukas der Lokomotivführer und sein bester Freund Jim verlassen bei Nacht und Nebel die Insel mit der zum Schiff umgebauten Lokomotive Emma. Nach langer beschwerlicher Fahrt mit vielen Abenteuern erreichen sie eine Wüste. Dort sehen sie am anderen Ende einen Riesen stehen, der so riesig ist, dass die hohen Berge neben ihm ganz klein sind. Jim erschreckt sich heftig und will schnell fortrennen, doch Lukas schlägt vor, dass sie den Riesen kennenlernen und winkt ihm freundlich zu. Und welch Erstaunen, je näher der Riese kommt, desto kleiner wird er. Und als er endlich vor den beiden steht, ist er sogar ein wenig kleiner als Lukas. Herr Turtur ist ein „Scheinriese“: Je weiter man von ihm entfernt ist, desto größer sieht er aus. Nur wer sich ganz nah an ihn heran wagt, erkennt, dass er genauso groß ist wie jeder normale Mensch. Weil sich das aber niemand traut, ist Herr Turtur sehr einsam. Wir Menschen hingegen sind Scheinzwerge, je weiter wir uns entfernen, umso kleiner werden wir, obwohl wir doch gleich groß bleiben. 
Was nun hat diese Geschichte mit einer Fortbildung zu tun, die sich mit Methoden zur Klärung von Konflikten befasst? Konflikte sind auch „Scheinriesen“. Je weiter man sich von ihnen entfernt und je schneller man vor ihnen wegläuft, umso größer und unüberwindlicher erscheinen sie. Geht man aber beherzt auf sie zu, so werden sie immer kleiner und ungefährlicher.

Ich habe ein sehr interessantes Angebot für eine Weiterbildung bekommen: „In Turturs Werkstatt - Klärungshilfe für Mediatoren“. Die Klärungshilfe hilft die häufigsten Gründe von eskalierenden Konflikten erkennen, bringt „Klarheit durch Wahrheit“ und kann als ureuropäische Form der Mediation betrachtet werden.

Sie wurde von dem Psychotherapeuten Christoph Thomann Anfang der 80er Jahre entwickelt und 1985 erstmals publiziert. Der Begriff „Klärungshilfe“ ist eine Erfindung von „Kommunikationspapst“ Friedemann Schulz von Thun, bei dem Thomann mit dem Thema promoviert hat. Schulz von Thun ist mir mit seinen Beispielen zur Kommunikation: „Die Ampel ist rot“ und „Da ist was Grünes im Essen“ lebhaft in Erinnerung geblieben und dient mir auch heute immer wieder gern zur Erklärung der zwischenmenschlichen Kommunikation mit all ihren Fußangeln– insbesondere bei Menschen, die vordergründig einzig die Sachebene der Kommunikation für sich akzeptieren.
Da die beste Ausbildung nichts taugt, wenn mensch nicht gewillt ist, sich fortzubilden, habe ich mich gleich angemeldet und freue mich jetzt schon auf die 3 Tage im März in Hamburg. Wenngleich mir mal wieder aufgestoßen ist, dass es für meinen alten und neuen Mediationsseminarleiter Tillmann die weibliche Form „Mediatorin“ nicht gibt, so gefällt mir doch das Thema so sehr, dass ich gewillt bin, vorerst darüber geduldig hinwegzusehen. Wobei ich sicher bin, dass sich auf dem Seminar die Gelegenheit ergibt, Tillmann für „Frauen sind mitgemeint“ ein bisschen anzumisten – selbstverständlich ganz freundschaftlich.