Eigentlich schreibe ich meinen Ratssplitter ganz gern. Eine gute Gelegenheit, den vergangenen Abend noch mal zu resümieren, unsere linken Positionen darzustellen und durchaus auch ein bisschen abzulästern, damit er auch gut zu lesen ist und ein bisschen Spaß macht. Das fällt mir heute schwer, denn die Ratssitzung wurde letztlich abgebrochen, nachdem eine Ratsmehrheit den Haushaltsentwurf der Verwaltung mit einigen mehrheitlich(!) verabschiedeten Änderungen abgelehnt hat.

 

Und es lag nicht daran, wie ich zuerst vermutete, dass der Ratsvorsitzende Frank Stuckmann versehentlich die Haushaltssatzung in die Einzelpunktabstimmung eingezogen hatte. Diese hatten wir vorher auf meinen Antrag hin für die Änderungsanträge des Haushalts beschlossen. Nein, es lag nicht an der meist souveränen Sitzungsleitung, sondern am fehlenden Demokratieverständnis ziemlich vieler Ratsmitglieder.

 

Hier die Befindlichkeiten aus meiner subjektiven Sicht:

 

Zustimmung zum Haushalt von der SPD, sie hatte ihre Änderungsanträge im Vorfeld breit diskutiert und Mehrheiten dafür gewonnen.

 

Zustimmung vom Bürgermeister – klar, der Haushaltsentwurf kam aus seiner Verwaltung, auch wenn er den beantragten Änderungen nicht zugestimmt hat (sein gutes Recht).

 

Zustimmung von mir (hier mein Redebeitrag zum Haushalt), zwei von meinen sechs Änderungsvorschlägen wurden angenommen, alle anderen abgebürstet. Zustimmung fand die Formulierung, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen und das Saunaruhehaus erst mal nicht zu bauen. Ich habe einigen Änderungsvorschlägen der SPD, der Grünen und der Liberalen Gruppe zugestimmt. … und außerdem bin ich mir der Verantwortung bewusst, was es heißt, einen Haushalt abzulehnen. Ohne gültige Haushaltssatzung befindet sich die Kommune in der vorläufigen Haushaltsführung und kann beispielsweise eigentlich gewollte freiwillige Leistungen, wie die Zuwendungen an unsere so vielfältig ehrenamtlich arbeitenden Einwohner*innen nicht auszahlen.

 

Alle anderen Ratsmitglieder haben den Haushalt abgelehnt.

 

Obwohl der SPD Änderungsantrag insgesamt und ein Großteil der Änderungsanträge der Liberalen GRUPPE mehrheitlich beschlossen wurden.

 

Obwohl die CDU und andere gar keine Änderungsanträge eingebracht haben, je nach Fasson, weil ihnen der Haushaltsentwurf so gut gefiel oder sie sich nicht in der Lage sahen, sich in das Thema einzuarbeiten?

 

Einiges ist in der Diskussion auch mehrheitlich abgelehnt worden. So mein Antrag auf Erhöhung der Gewerbesteuer, um so die größeren Firmen, die Gewinne einfahren, an der Haushaltsfinanzierung zu beteiligen. Mit dieser Ablehnung hatte ich allerdings gerechnet.

 

Nicht nachvollziehbar dagegen ist es für mich, dass eine große Ratsmehrheit meinen Antrag abgelehnt hat, im Vorfeld der kälteren Jahreszeit und als Vorbereitung vor noch höheren Coronazahlen, die Klassenräume und Kitas möglichst vollständig mit Luftfiltern auszurüsten, auch wenn sich das Land mit einer Kofinanzierung „vornehm“ zurückhält. Schauen wir nach Hamburg: Da sind schon jetzt in 92% der Schulklassen die benötigten Luftfilter eingebaut. Warum geht das nicht in Langenhagen?

 

Befremdlich für mich war auch, dass Bündnis 90/Die Grünen Gelder zur Haushaltssanierung beispielsweise bei den stark von Corona betroffenen Marktbetreiber*innen durch höhere Standgebühren und bei Menschen, die sich weiterbilden wollen, durch erhöhte Beiträge für Volkshochschulveranstaltungen eintreiben wollten. Das lehnte die Ratsmehrheit zum Glück ab.

 

Nicht abgelehnt wurde von einer knappen Mehrheit in erschreckender Weise der Griff der Liberalen GRUPPE in die neoliberale Mottenkiste mit der Forderung, Private-Public-Partnerhip Projekte (PPP) oder auch ÖPP (Öffentlich-Private-Partnerschaften) zu prüfen, als Einbindung von Privaten an kommunalen Projekten. Diese PPP-Projekte sind in den meisten Kommunen zu deren Lasten gegangen. Nur der private Investor verdient daran und wer wissen will, was die Präsident*innen der Rechnungshöfe von Bund und Land zu PPP sagen, kann das hier nachlesen.

 

Diese neoliberalen Positionen von Bündnis 90/Grüne und der Liberalen GRUPPE veranlassten die CDU-Ratsfrau Golotka in der abschließenden Haushaltsdiskussion, die Ablehnung des Haushalts mit dem “Neoliberalismus“ von Bündnis 90/Die Grünen und der Liberalen GRUPPE zu begründen. Aber hat Frau Golotka bei ihrer inhaltlich berechtigten Kritik nicht gemerkt, dass die meisten dieser neoliberalen Anträge  (z.B. Senkung der Personalkosten, Erhöhung der Grundsteuer, Erhöhung Gebühren Wochenmarkt und Volkshochschule) abgelehnt worden waren und PPP zunächst nur geprüft werden soll – da ist das Kind also noch nicht in den Brunnen gefallen.

 

Da frage ich mich doch ernsthaft: Was ist in diesen Köpfen vorgegangen? Weil nicht jede und jeder exakt hundertprozentig bekommen hat, was sie oder er wollte? Oder aus Trotz, Borniertheit oder schlicht aus Unkenntnis?

 

Und wer gern mal nachlesen möchte, was eine vorläufige Haushaltsführung konkret bedeutet, kann das sehr gut verständlich im „Kommunalwiki“ der Heinrich-Böll-Stiftung nachlesen. Letztlich schneiden sich bei der vorläufigen Haushaltsführung theoretisch vor allem diejenigen ins Bein, die Projekte verhindern wollen, wie beispielsweise den Rathausanbau. Denn alles das, was im vergangenen Jahr beschlossen wurde, kann auch weitergeführt werden. Aber für alle „Sparfüchse“ ist die vorläufige Haushaltsführung zwar unpolitisch, aber wirksam. Es wird auf jeden Fall weniger Geld ausgegeben.

 

Also wurde nach viel Gezänk die Ratssitzung abgebrochen; das heißt auch, alles was sonst noch so auf der Tagesordnung war, fällt erst mal hinten runter. Unter anderem weitere Entscheidungen zum Raumprogramm der Leipzig IGS, zur Qualitätsoffensive der Ganztagsgrundschulen in Langenhagen, zum Aufbau eines Energiemanagements bei der Stadt Langenhagen und vieles andere mehr. Alles völlig unwichtig im Tanz um die eigene Nase, oder wie? Es hätte ja auch durchaus die Möglichkeit bestanden, die Ratssitzung erst mal zu vertagen und in den nächsten Tagen mal Gespräche zu führen, wie die Kuh vom Eis kommt.

 

Also ist nun alles – auch die Entscheidung zum Haushalt der Stadt Langenhagen für das Jahr 2022 – auf den 9. Mai verschoben. Der Bürgermeister hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass er derweil die schon verabschiedeten Änderungen in den Haushaltsentwurf einarbeiten lässt und diesen dann erneut zur Beratung vorlegt. Ich für meinen Teil weiß, dass ich dem wieder zustimmen werde und kann nur hoffen, dass es bei den Ratsmitgliedern, die ihn bisher abgelehnt haben, noch zu einer Einsicht in die Notwendigkeit eines gültigen Haushaltes für das Jahr 2022 kommt.

 

Das war nun die erste Ratssitzung, die auch im Livestream mitverfolgt werden konnte. Ob das im Laufe der Sitzung wirklich jedem Ratsmitglied so klar war, wage ich zu bezweifeln. An der Technik des Livestreams muss noch ein wenig gearbeitet werden, habe mir sagen lassen. Dass nun ausgerechnet bei meinem Redebeitrag der Ton ausfiel, nehme ich jetzt nicht persönlich, mein Redebeitrag kann wie immer auf meiner Website (s.o.) nachgelesen werden.