Marokko 2011

Lauwarmer Wind empfängt uns, als wir aus dem Flieger steigen. Wir frösteln fast ein bisschen, weil es vorhin im Flugzeug so heiß war. Wo sind die von Martin versprochenen 35 Grad? Naja, abends um 19:00 Uhr Ortszeit (-1 Std.) wohl auch zu viel erwartet. Martin und Steffi, unser Reiseleitungsteam, erwarten uns schon am Ausgang und wir bekommen gleich den ersten Sonnenuntergang serviert. Fast zeitgleich steigt auf der Gegenseite der Vollmond auf. Am blauen, marokkanisch geschmückten Bus werden wir mit dem 1. Minztee bewirtet. Diesmal ohne Zucker, bzw. mit Zucker nach Geschmack, das wird auf der Reise nicht so bleiben. Marokko ist berühmt-berüchtigt für seine süßen Tees.

Wir laden unser Gepäck ein und dann geht’s durch die Vororte von Fes. Neubauten wechseln sich ab mit alten Lehmhäusern, neugierig drücken wir uns die Nasen an der Scheibe platt: Die ersten Eindrücke von Marokko – ob das so bleibt?

Nahe dem Bab Boujeloud – einem der 7 Tore zur Medina von Fes – ist unser Quartier der nächsten Tage. Martin und Steffi sind schon einige Tage in Fes und haben hier einen Bekannten getroffen, der dieses Privatquartier empfohlen hat. Für uns 8 Reisende stehen 2 Räume zur Verfügung, schnell und unproblematisch sucht sich jedeR ein Bett. Noch wissen wir ja nicht, wer SchnarcherIn und wer nicht Zwinkernd Nachdem wir unseren Kram sortiert haben, wollen wir zu einem kurzen Besuch in die Medina von Fes. Doch davor gehen wir noch der Einladung unserer Gastgeberin zu einem Tee nach, diesmal schon süß vorbereitet. Serviert wird im überdachten Innenhof des Hauses, der als Wohnzimmer fungiert. 

Wir passieren das Bab Boujeloud im Abendlicht und wollen uns etwas zu essen suchen. Vorher noch schnell der notwendige Gang zum Bankautomaten. Ein kleiner Fehler im System: Karin bekommt kein Geld, bei allen anderen klappt es. Neben dem Geldautomaten ist ein kleines Cafe, dort sitzen nur Männer. Bei uns am Geldautomaten sitzen Frauen unterschiedlichen Alters auf den Stufen – sind da Zusammenhänge zu denken??

Einige von uns sind neugierig auf die Garküchen von Fes, Michael und mir ist eher nach Essen in Ruhe und im Sitzen und so trennen wir uns. Martin empfiehlt uns ein kleines Etagenrestaurant. Auf dem Weg zur Dachterrasse gehen wir an der Küche vorbei, ein flüchtiger Blick hinein zeigt eine ältere Frau, die auf der Erde sitzt und Gemüse schält, an diese „anderen“ hygienischen Standards werde ich mich gewöhnen, lieber gar nicht drüber nachdenken. Auf der Dachterrasse sitzen wir eng und gemütlich, hier essen wir die erste Tagine der Reise. Michael ist von seiner schwer begeistert: leckeres mürbes Rindfleisch mit Rosinen und Backpflaumen, das ist was für sein Süßmaul. Es gibt Wasser dazu, Alkohol wird in Marokko nicht offiziell ausgeschenkt. Zwar produziert das Land Bier und Wein in großen Mengen, aber bei Weitem nicht alle Restaurants haben eine Alkohollizenz. Auf unserer Reise – soviel darf verraten werden – habe wir nie eins davon gefunden, aber wir haben auch nicht danach gesucht. Wir zahlen für die zwei leckeren Tagines mit einer großen Flasche Wasser 100 Dirham (DH), das sind ca. 9 Euro. 

Nach dem Essen gehen wir noch einige Schritte vor die Medina, hin zur alten Stadtmauer. Dort ist auch unser Bus geparkt. Die Stadtmauer wird von warmem Licht beleuchtet. Hier herrscht noch reges Treiben, Menschen laufen hin und her, treiben ihre Esel nach Hause oder stehen in Gruppen herum und reden. Auffällig wenige Frauen sind zu sehen. Wie schon auf der Fahrt durch Fes fällt uns auf: in der alten Stadtmauer sind in regelmäßigen Abständen Löcher – wie die wohl dahin kommen? Martin weiß die Lösung: Vor vielen vielen … Jahren wurden die Araber von einem starken Heer mit Kampfelefanten angegriffen und hatten dem wenig entgegenzusetzen. Sie beteten zu Allah um Hilfe und dieser sandte ihnen Millionen von Mauerseglern, die auf die Kampfelefanten niederstürzten und sie mit ihren spitzen Schnäbeln in die Flucht schlugen. Seitdem ist der Mauersegler ein heiliger Vogel und die Löcher in den Mauern sind die Nistplätze dieser Vögel. Das Ergebnis für uns: ein recht insektenfreies Fes und irre viele Mauersegler.

Wir haben uns entschieden, mit dem Auto zum Flughafen Hahn zu fahren. Für die Hinfahrt planen wir großzügige 3 Stunden für Staus und andere Normalitäten im Straßenverkehr ein. Entgegen der Ankündigung des ADAC für den ersten Ferientag ist die Bahn frei und wir kommen zügig durch. Ein Witz, diesen Flughafen Frankfurt/Hahn zu nennen, nachdem wir an Frankfurt vorbei sind, liegt noch mehr als eine Stunde Fahrt vor uns. Trotzdem sind wir deutliche 3 Stunden zu früh am Ziel. Der kleine Flughafen „Frankfurt“-Hahn ist schnell besichtigt und so entern wir ein kleines Restaurant für Pizza und Antipasti. Wir schmökern noch mal im Reiseführer und sind extrem neugierig auf unsere Mitreisenden. Ob wir sie wohl schon hier am Flughafen treffen?

Unser Reiseführer "verrät" uns, Karin hat ihn auf dem Tisch liegen gesehen, zudem hatten wir in der Reisevorbereitung Fotos rumgeschickt. Einige Zeit später kommen Hartmut und sein Sohn Christian dazu, in der Hand ein Blatt Papier mit den ausgedruckten Fotos zum Vergleich. Nun fehlt nur noch Astrid und auch sie findet uns. Wir haben noch Zeit für einen kleinen Plausch und etwas Beschnuppern. Ich habe ein gutes Gefühl – das könnte klappen! Gerade für diese Reise auf engem Raum im Bus und vermutlich auch oft genug auf engem Raum zum Schlafen, ist es wichtig, dass die Chemie so halbwegs stimmt.

Nicht erst seit heute leide ich unter "marokkanischem" Reisefieber. Schlimm, der Reisetermin ist nämlich noch ganze lange sieben Tage von mir entfernt. Meine Gedanken drehen sich um Schlafsack und Isomatte, Übernachtungssituationen in Berberzelten, ungewohnte Toilettensituationen und Ahnungslosigkeit a la „wie benehme ich mich in einem öffentlichen Bad in Marokko richtig“. Aber ich bin optimistisch, ich glaube ich habe mir die richtige Reisebegleitung ausgesucht. Ich habe Martin als Reisecoach der „anderen Art“ auf einer Skihütte kennen und schätzen gelernt und bin nun sehr sehr gespannt.

Eine Passage seines letzten Briefings hat mir sehr gefallen und ich möchte ihn hier zitieren, weil seine Zeilen so klar macht, was an dieser Reise anders wird: „das wird eine selbsterfahrungsreise, auf der wir euch erstmal alles wegnehmen, vor allem die netten hygieneinseln, von denen touristen normalerweise schwärmen, um in ihrem nach polsterreiniger duftenden sprinterbus mit getönten scheiben und klimaanlage von event zu event auf wolke sieben daherzufliegen … wenn ihr lernen möchtet, wie man den marktcheckern nicht aus dem weg zu gehen lernt, sie fluchtartig abzuhängen versucht oder einfach nur peinlich lächelnd und bewußt langsam von dannen zieht... bei uns könnt ihr lernen, auf diese zeitgenossen selbstsicher zuzugehen und spass mit ihnen zu haben, vielleicht was zu kaufen wahrscheinlich aber nicht. aber beide behalten ihre würde und so haben wir ein klassisches win/win. Wir haben unsere triftigen gründe dafür, warum wir euch auf abwege führen. die alte kruste muß runter, das verbissene anspruchsdenken und meinen "haben zu müssen", … wir bieten euch die einmalige chance an, in einer völlig fremden welt nicht als zaungäste zu belästigen, sondern fern jeglichem voyerismus für die zeit unseres dortseins, die lebensgewohnheiten zu teilen, die dort  alte tradition haben.“ 
In meinem Zimmer stehen Rucksäcke bereit, daneben in einer Kiste die gesammelten Werke, die es so braucht, wenn frau eine Reise macht, auf der wenig Gepäck – dafür aber Kleidung sowohl für die Wüste wie für den kalten Hohen Atlas - eine wichtige Voraussetzung sind. Über Taschenlampe, Reiseführer, Blasenpflaster bis hin zum Ladegerät für die Kamera läppert es sich ziemlich zusammen. 
Da das Schlepptop – nicht nur aus Platzgründen - zu Hause bleibt, greife ich diesmal ganz ungewohnt zurück auf bewährtes Reisetagebuch schreiben, ganz altmodisch mit der Hand. ... und ich habe es auch geschafft, dieses Reisetagebuch für diesen Blog aufzuarbeiten.

(Leider gibt es Amacatravel inzwischen nicht mehr)