Es hat schon fast Tradition – die Einwohner*innenfragestunde ist schon seit mehreren Ratssitzungen rappelvoll - mal die Feuerwehr, jetzt wieder die IGS im Stadtzentrum mit Schüler*innen, Eltern und Lehrkräften. Ich fand es sehr toll, dass sich dieses Mal auch jüngere Schüler*innen mit ihren Fragen ans Mikro getraut haben. Regen, der seit der xten Schüler*innengeneration durch undichte Decken tropft, drohender Absturz von Decken- und Fassadenplatten, was zu einzelnen Sperrungen führen musste und nach wie vor große Unsicherheit, wann und wie es mit dem versprochenen Neubau der IGS weitergehen soll; das alles unter dem Eindruck des Baulärms von der Rathausbaustelle gegenüber. Laut Baudezernentin Gifhorn steht die Aussage der Stadt nach wie vor, dass versucht wird, den mit der Schule abgestimmten Architektenentwurf umzusetzen. Dazu werde es im September eine öffentliche Präsentation der Stadt geben. Ich verstehe Kids wie Lehrer*innen sehr gut – es ist wirklich schwer zu verstehen, aber noch schwerer zu vermitteln, warum die noch warten und es gegenüber zügig voran kommt. (… und ja, auch ich habe für den Bau des Rathauses gestimmt und stehe da auch zu)

 

Und dann ging es zum Schwerpunktthema dieser Ratssitzung: Die Beratung und Verabschiedung des Haushaltes 2023. Reichlich spät jetzt erst Ende April, das heißt dann leider auch, dass die notwendige Genehmigung durch die Region Hannover voraussichtlich erst in oder nach den Sommerferien erfolgt. Damit tritt er überhaupt erst in der 2. Jahreshälfte in Kraft. Ein aus meiner Sicht unhaltbarer Zustand.

 

Im Vorfeld der Haushaltsberatungen gab es rund 30 Änderungsanträge, etliche von ihnen kamen buchstäblich in der letzten Minute, was wohl der schwierigen Abstimmung zwischen SPD, Grünen und Liberaler GRUPPE auf den letzten Metern geschuldet war. Eigentlich hatten die doch ausreichend Zeit – oder?

 

Den ersten Aufschlag der nachfolgenden Haushaltsreden machte für die stärkste Fraktion Irina Brunotte: „ Das Defizit von 16 Mio. € im Haushalt erwartet vom Rat die Vorlage entsprechender Prioritäten“. Diesen und weitere Sätze, so die SPD-Ratsfrau, habe die Künstliche Intelligenz (KI) ihr für die Ratssitzung formuliert. Ein cooler Einstieg, der Göttin sei Dank hat sie dann aber doch lieber selber weiter formuliert. Und damit ging es ins Eingemachte. Umschichtungen im Haushalt, Einsparmöglichkeiten nutzen und ggf. auch Einnahmeerhöhungen, wie von DER LINKEN beantragt, prüfen, aber nicht im Haushalt beschließen, sondern in die (meine Anmerkung: nichtöffentlichen) Beratungen zum Haushaltssicherungskonzept verschieben. Die SPD werde den Anträgen der Grünen und der Liberalen GRUPPE zustimmen, die Kürzungsvorschläge der CDU bei der Wohnungsbauförderung aber ablehnen. Und dann folgte eine erfreuliche Aussage: Die SPD werde keinen betriebsbedingten Kündigungen in der Stadtverwaltung zustimmen – na wenigstens etwas. Aber es gab da noch eine Entgleisung von Irina Brunotte, die ich von ihr nicht erwartet hätte. Sie verglich Bürgermeister Heuer mit dem Kapitän des vor 11 Jahren gesunkenen Passagierschiffes Costa Concordia, der beim Sinken des Schiffes mit mehreren Toten als erster das Schiff verlassen hatte. Ein nicht tolerierbarer Vergleich, für den sich die SPD-Ratsfrau dann auch nach Aufforderung entschuldigte.

 

Dominic Veltrup von der CDU stellte zunächst lapidar fest: „ Überschuldung ist Mist“ - doch diese Feststellung allein hilft nicht weiter. Er verwies meiner Meinung nach zu Recht auf die immer klammer werdende finanzielle Situation und forderte von Bund und Ländern ein 100 Milliarden-Programm für die kommunale Infrastruktur – richtig so.

 

Kleine Anmerkung am Rande: Die CDU stellte 16 Jahre die Bundeskanzlerin, da wäre es doch auch mal drin gewesen, die Kommunen besser auszustatten? Denn die jetzige finanzielle Situation kommt für die Kommunen ja nicht von ungefähr – gerade die Untätigkeit der großen Parteien CDU und SPD in den letzten Jahrzehnten bei der Bewahrung und Erneuerung der kommunalen Infrastruktur hat zu dieser Situation geführt.

 

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Veltrup sah aber auch einen Grundfehler bei Rat und Verwaltung. Sie könnten nie Nein sagen. Das seiner Meinung nach überdimensionierte neue Gymnasium wäre dafür ein typisches Beispiel. Einsparmöglichkeiten sah er beim Wohnungsbau, der Jugendförderung in Kaltenweide oder durch eine Privatisierung der bisherigen Eigenreinigung der Schulen. Einen eigenen Kämmerer für die Stadt lehne er aber ab.

 

Wilhelm Zabel von Bündnis 90/Die Grünen nahm den Kapitänsvergleich mit Bürgermeister Heuer wieder auf, mit einem Bild, das das Schiff – die Stadt Langenhagen – in einen Mahlstrom lenke, bis dieses in der Schuldenlast versinke. Er erhoffe sich von der KGST als „neutraler Moderation“ Vorschläge, wie der Haushalt in den Griff zu bekommen sei. Ausdrücklich plädierte Zabel auch für die Einrichtung einer zusätzlichen Dezernent*innenstelle für eine Kämmerin oder einen Kämmerer.

 

Wer Dr. Mommsen bei den Haushaltsberatungen der letzten Jahre erlebt hatte, brauchte sich eigentlich nicht zu wundern. Doch diesmal sprach er für die Liberale GRUPPE und anscheinend teilen damit auch seine Gruppenmitglieder wie z.B. Marion Hasenkamp von der PARTEI seine zum Teil sehr pöbelhaften und unerträglichen Aussagen. Schade! Die Stadt steuere auf 1 Mrd. Schulden zu, er forderte einen Personalabbau von uneffektiven Beschäftigten. Etliche Mitglieder vom Betriebshof würden mit ihren Fahrzeugen nur in der Gegend rumfahren und dann Pause machen. Schüler*innen in der Adolf Reichwein Schule würden durch die schlechte Bausubstanz „misshandelt“ und der Bürgermeister wäre für die Haushaltssituation verantwortlich. Auch Dr. Mommsen erhielt vom Ratsvorsitzenden einen Ordnungsruf.

 

Die AfD, die es auch diesmal wieder zu keinem eigenen Ratsantrag gebracht hatte, sah neben anderen Plattitüden eine Gefahr der Firmenabwanderung bei einer möglichen Gewerbesteueranhebung.

 

Ratsvertreter Eilers von der WAL sah – wie sollte es anders sein - die Schuld für die Haushaltslage ebenfalls einseitig beim Bürgermeister, erinnerte an seine warnenden Worte aus den letzten Haushaltsberatungen und er machte den „Mini-Mommsen“, in dem er zwar keine Kündigungen von Beschäftigten einforderte, aber stattdessen eine Besetzungssperre für alle offenen Stellen. Er unterstütze den Antrag für einen neuen Kämmerer, wodurch der Bürgermeister auch „entmachtet“ werden könne.

 

Als letzte in der Redeliste war ich dann an der Reihe. Mein Betrag ist hier zu finden.

 

Als einzige sprach ich fehlende Einnahmevorschläge an, die DIE LINKE in den letzten Wochen als konkrete Änderungsanträge für die Haushaltsberatungen erarbeitet hatte. Das offensichtlich abgestimmte Vorgehen von Liberaler GRUPPE, Grünen und der SPD, meine Anträge im Haushalt nicht zu berücksichtigen und stattdessen zur unverbindlichen Prüfung in die nichtöffentlichen Beratungen zum Haushaltssicherungskonzept mitzunehmen, kann ich nur als vorsätzliche Beerdigung meiner Haushaltsvorschläge betrachten. Anscheinend trauen sich die genannten Fraktionen nicht, mal ernsthaft darüber öffentlich zu diskutieren. Die Gelegenheit wäre hier gegeben gewesen.

 

Angesichts der zahlreichen Pöbeleien - zum Teil deutlich unter der Gürtellinie - ging merklich angefasst Bürgermeister Heuer ans Redepult. Er stellte klar, dass das mehrfach gewählte Kapitänsbeispiel nicht auf den Bürgermeister zutreffe, sondern auf den Rat. Dieser beschließe über den Haushalt und alle Ausgaben einschließlich Investitionen und nicht alleinig der Bürgermeister als oberster Verwaltungschef.

 

Ich kann dazu nur ergänzen, dass den Ratsmitgliedern ein kurzer Blick in das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) sofort die Haushaltshoheit des Rates deutlich gemacht hätte – aber in den zahlreichen Fensterreden ist es ja immer fein, wenn dem Bürgermeister die Schuld gegeben werden kann.

 

Sparen ist nicht alles“ - so der Bürgermeister und warnte vor einem „Kaputtsparen“ der kommunalen Infrastruktur. Er forderte auch in seiner Funktion als ein Sprecher der Umlandkommunen in der Region Hannover vom Land einen Pakt mit den Kommunen, um diese aus ihrer finanziellen Not zu befreien. Eine Erhöhung des Finanzausgleichs von Bund und Land sei unabdingbar. Da kann ich ihm nur zustimmen.

 

Bürgermeister Heuer wies auch etliche Nichtwahrheiten aus den vorangegangenen Redebeiträgen aus dem Rat zurück, so das angebliche Erreichen einer Milliardenverschuldung (Dr. Mommsen) oder die von Ratsvertreter Eilers behauptete Pro-Kopf-Verschuldung in Langenhagen von 12.000 € - real seien es 3.000 €. „Ist Langenhagen mehr als Flughafenstadt mit Pferderennbahn“, fragte der Bürgermeister süffisant und plädierte dafür, die gesellschaftliche Struktur in Langenhagen zu stärken, wie es zum Beispiel für einen noch zu gründenden Verein Stadtgesellschaft vorgesehen sei. Die ebenfalls klamme Stadt Burgdorf habe damit gute Erfahrungen für ein besseres Zusammengehörigkeitsgefühl und mehr Aktivitäten von Ehrenamtlichen erreicht. Aber selbst die im Vergleich zum Gesamthaushalt von fast 500 Mio. € vorgesehene Beteiligung von 19.000 € ( = 0,0038% des Haushalts 2023) wurde abgelehnt. Sieht so Engagement für eine sehr notwendige ehrenamtliche Arbeit aus?

 

Und dann ging es in den Abstimmungsmarathon, insbesondere die Anträge von SPD und CDU gingen in die Einzelpunktabstimmung, damit sich jede und jeder rauspicken konnte, was zur eigenen Meinung passte.

 

Die Schaffung einer zusätzlichen Dezernentenstelle habe ich selbstredend abgelehnt. Die bisherige Arbeit des Fachbereichs Finanzen mit der Leiterin Frau Schmidt finde ich voll zufriedenstellend. Wozu brauchen wir zusätzlich noch eine Kämmerin oder einen Kämmerer? Letztlich muss sich doch der Rat an die eigene Nase fassen – wer macht denn die Beschlüsse? Zumindest der Fachbereich Finanzen hat die uns vorliegenden Kosten verursachenden Drucksachen schon lange nicht mehr mitgetragen und dieses auch so gekennzeichnet. Und was macht die Mehrheit glauben, dass es mit einem Finanzdezernat besser würde?

 

Doch mit dieser Meinung konnte ich mich nicht durchsetzen. Im Abstimmungsmarathon zum Haushalt 2023 hat sich eine Mehrheit von SPD, Grünen, Liberaler GRUPPE und Einzelvertreter Eilers für ein weiteres Dezernat in Langenhagen gefunden. Blauäugig glauben sie, eine Kämmerin oder ein Kämmerer wird’s schon richten und das eigene Gehalt incl. der Pensionsrückstellungen – mehr als 600.000 Euro allein für die Rückstellungen – locker wieder einspielen. Für mich fühlt sich das an wie ein verkappter Misstrauensantrag gegen den schon zum 2. Mal demokratisch gewählten Bürgermeister. Ich befürchte, das wird die Stimmung im Rat weiter anheizen, insbesondere wenn es dann um die Auswahl der Kandidat*innen geht. Hoffen wir mal, dass ich irre.

 

Der Haushaltsentwurf wurde mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU und meiner verabschiedet. Meine Ablehnung begründet sich hauptsächlich auf die Schaffung eines teuren Finanzdezernats, besetzt mit einer Wahlbeamtin oder einem Wahlbeamten für mindestens 8 Jahre (nach NkomVH und geschätzten Mindestkosten von rund 1,5 Mio. €) und der Verschieberitis von Einnahmeverbesserungen.

 

Kurz danach wurde die Ratssitzung gegen 23 Uhr beendet und die noch nicht behandelten Punkte auf die nächste Ratssitzung am 22. Mai 2023 verschoben. Wie geht es jetzt weiter? Die Stimmung im Rat geht in Richtung unerträglich und die Zukunft verspricht nix Gutes.