Für mich war es diesmal eine Ratssitzung der anderen Art. Genau 1362 km Luftlinie von Langenhagen entfernt, bin ich wieder beim Jazz-Workshop in Sardinien, wie auch die letzten zwei Jahre zuvor im September. Das WLAN dort ist kaum vorhanden, so dass ich die Ratssitzung auch nicht über den Live-Stream verfolgen konnte, sondern auf zwei andere liebe linke Ohren und Wahrnehmungen angewiesen war. Danke dafür!

 

Obwohl die ursprüngliche Tagesordnung 37 Punkte umfasste, konnte durch Wegfall einiger Punkte, einer stringenten Sitzungsleitung von Frank Stuckmann (SPD) sowie der Zusammenfassung von diversen Besetzungsverfahren die Ratssitzung in knapp 2 Stunden durchgeführt werden.

 

Schon im Zuschauer*innenraum ließ sich auf den ersten Blick erkennen, worum es diesmal – wieder – gehen sollte: Eine deutlich bessere Perspektive für Schüler*innen und Lehrer*innen der IGS im Stadtzentrum. Etliche IGS-Fahnen waren dort zu sehen und in der Einwohner*innenfragestunde wurde für eine bessere IGS-Situation in der Zukunft geworben.

 

Von der Verwaltung gab es mehrere mögliche Aus- und Umbauvarianten zur Auswahl für den Rat. Schon vor ein paar Monaten hatten sich ehemalige Lehrer*innen der IGS in einem offenen Brief für eine umfassende Sanierung und einen Teilneubau der IGS ausgesprochen. Dies entspricht der Variante A 1a, die mit derzeit etwas über 173 Mio. € eine erhebliche finanzielle Belastung für die Stadt darstellt. Anja Sander von der SPD unterstützte diese teure, aber notwendige Investition. Ebenso der CDU-Fraktionsvorsitzende Hülsmann, der zudem darauf verwies, dass diese Investitionen auch wegen der jahrzehntelangen Untätigkeit im Investitionsbereich der Schulen insgesamt notwendig geworden seien, sie aber im Sinne der Bildung und der Betroffenen unerlässlich sind. Da hat er eindeutig Recht.

 

Und wäre ich anwesend gewesen, dann hätte ich auch dafür gestimmt.

 

Für Bündnis 90/Die Grünen schloss sich Wilhelm Zabel dem Votum für A1a an, mahnte aber, es sollten keine „überzogenen Baustandards wie beim Gymnasium-Neubau“ umgesetzt werden, was die Kosten weiter erhöhen würde. Er befürwortete auch einen Plan B für den Fall, dass wegen des kommenden Haushaltsicherungskonzeptes entsprechende Mittel fehlen würden.

 

Eine inhaltliche Verrenkung gelang dann der Liberalen GRUPPE mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Röttgen. Sie hatten einen Alternativantrag eingebracht, der die Baukosten deutlich begrenzen und vor einem Baubeginn noch etliche Fragen klären wollte. Röttgen nahezu wörtlich: Die Liberale Gruppe plädiert inhaltlich für Nein bei der Variante A1a, wird aber trotzdem zustimmen. Darüber muss ich mich so aus der Ferne doch wundern. Wasch mich, aber mach mich nicht nass??

 

In der abschließenden Abstimmung wurde der Antrag der Liberalen GRUPPE deutlich abgelehnt, die Variante A1a erhielt eine komfortable Mehrheit. Jetzt muss sie zügig umgesetzt werden.

 

Der Fachkräftemangel in den kommunalen Kindertagesstätten sowie bei den freien Träger*innen ist unübersehbar und führt auch dazu, dass die KiTa-Zeiten immer mehr eingegrenzt werden müssen. In seltener parteiübergreifender Allianz hat der Rat einen Konzeptvorschlag der Verwaltung zur Verbesserung der Situation noch optimiert, der jetzt umgesetzt werden soll. Der Rat tritt dabei in Vorleistung für notwendige finanzielle Maßnahmen seitens des Landes, die nur zögerlich, wenn überhaupt, vor Ort ankommen.

 

Und dann war da noch die Diskussion um das Haushaltsicherungskonzept (HSK), das zwar noch nicht bekannt ist und nicht auf der Tagesordnung stand, aus dem aber insbesondere die Liberale GRUPPE als auch Bündnis 90/Die Grünen ableiten, dass “freiwillige” Leistungen von der Stadt zukünftig gar nicht mehr oder nur stark reduziert erbracht werden könnten. Das entzündete sich zum einen bei einem Antrag der DLRG Krähenwinkel über rd. 35.000 € für einen Mannschaftstransportwagen, der angesichts der zunehmenden Starkregenfälle in Langenhagen, aber auch im sonstigen Umland für Rettungsmaßnahmen notwendig wird. Offensichtlich ganz Kirchturmpolitiker und mit dem HSK argumentierend sah Wilhelm Zabel für Langenhagen für einen solchen Wagen keine Notwendigkeit.

Da musste der „Herr Zabel“ - so Elke Zach (SPD) - von seiner Lebensgefährtin belehrt werden, dass bei der zunehmenden Klimasituation auch Solidarität über Ortsgrenzen hinaus erforderlich ist. Die unerfreuliche Spitze bei der HSK-Argumentation kam vom Ratsvertreter Eilers (WAL), der einen beantragten Zuschuss für das „Ophelia Beratungszentrum für Frauen und Mädchen mit Gewalterfahrung e.V.“ für drei Jahre über jeweils 43.000 € zunächst nur auf 1 Jahr beschränken wollte. Das sei eine freiwillige Leistung, die vom HSK nicht zulässig sei. Gegen seine Stimme wurde der Ophelia-Antrag erfreulicher Weise von den anderen Parteien mitgetragen.

 

Was mir bei der Diskussion um das HSK immer wieder aufstößt: Von verschiedenen Seiten wird argumentiert, dass das HSK grundsätzlich freiwillige Leistungen untersagt. Das ist nicht nur nicht richtig, sondern auch ziemlicher Quark! Die Haushaltslage kann beispielsweise auch dadurch verbessert werden, dass an der Einnahmeseite gearbeitet wird. Dazu kam in der gestrigen Diskussion seltsamerweise kein einziger Beitrag. Denkbar sind höhere Gewerbesteuern (hier liegt Langenhagen derzeit im unteren Drittel bei den Regionskommunen), höhere Besteuerung von Wettbüros oder auch eine Bettensteuer, wie sie in der Landeshauptstadt schon eingeführt wurde. So was könnte auch in Langenhagen die finanzielle Situation entschärfen. Wenn wir in den nächsten Monaten im Rat den Haushalt 2024/2025 im Zusammenhang mit dem HSK diskutieren, müssen solche Vorschläge wieder auf den Tisch, die wir als LINKE in den Vorjahren schon eingebracht hatten. Es wird mit Sicherheit eine spannende Finanzdiskussion in der nächsten Zeit geben.