In dieser Zeit ist Corona leider das beherrschende Thema, auch im Rat – sollte mensch zumindest meinen.

 

In der Bürgerfragestunde ging es zunächst um die Situation an den Schulen, insbesondere die Lüftung in den Klassen, die Schüler*innenbeförderung in den Bussen sowie die Ausstattung der Schüler*innen mit Laptops. Bürgermeister Heuer zeigte die von der Stadt erfolgten Maßnahmen auf, verwies aber auch auf die Vorgaben der Region, die eigene Lüftungsanlagen in den Klassen für nicht erforderlich halten und sich bisher weigern, auch zur Mittagszeit mehr Schulbusse als normal einzusetzen. Aus meiner Sicht unverantwortlich.

 

Business as usual. So was geht in Corona-Zeiten nicht – auch nicht in kommunalen Gremien. Und daher hatte ich basierend auf Erfahrungen aus anderen Kommunen einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, um verschiedene Möglichkeiten in der gewählten Kommunalvertretung – dem Rat – zu diskutieren und zu entscheiden, wie wir unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes unter intelligenter Nutzung elektronischer Verfahren die kommunale Demokratie auch in Corona-Zeiten am Leben halten könnten. Eigentlich ein Selbstläufer – nahm ich an, doch da irrte ich gewaltig.

 

Insbesondere der Fraktionsvorsitzende der SPD Dr. Köhler lief durch den Sitzungsraum, um dafür zu werben, meinem Antrag die Dringlichkeit nicht zuzugestehen. Über die Motive kann nur spekuliert werden. Ob es an eigenen Anträgen lag, mit dem die SPD fordert, dass nach gründlicher Prüfung mal entschieden werden könnte, ob auch Ratssitzungen elektronisch übertragen werden könnte oder wie im Sommer beantragt, dass die Verwaltung mal prüfen möge, ob die Ratssäle mit Videotechnik auszustatten seien. Tja – wir tagen aber gerade nicht in den Ratssälen, sondern in der Schulaula oder im Theatersaal. Wenn die Prüfaufträge dann fertig sind, werden wir das Schlimmste an Corona dann wohl schon überstanden haben. Ob allen Ratsmitgliedern überhaupt klar war, dass sie mit der Ablehnung meines Dringlichkeitsantrages (die BBL enthielt sich) praktisch eine Entmündigung des Rates beschlossen hatten? Ob und wie die für nächsten Montag geplante Ratssitzung dann durchgeführt wird, bleibt angesichts des ab morgen beginnenden Lockdowns in der Hand des Bürgermeisters, so sieht es das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz im § 182 vor. Die Chance einer politischen Mitwirkung wurde jedenfalls leichtfertig verspielt. Ok, ich gebe zu, der Antrag kam sehr spontan – aber von politisch wirkenden Menschen muss ich doch eigentlich erwarten können, dass sie auch in der Lage sind, spontan sprechen zu können und sich nicht hinter Ausreden wie „lange Tagesordnung“ verstecken zu müssen. Und nein, dieser Antrag wird von mir nicht noch mal eingebracht - das hat sich mit der Ablehnung der Dringlichkeit erledigt.

 

Und da passt es dann wohl auch, dass in der über 3-stündigen Ratssitzung im Schulzentrum kein einziges Mal gelüftet wurde und nur wenige Anwesende ständig ihre Schutzmaske trugen - ganz im Gegensatz zu dem, was im Moment in den Schulen praktiziert wird. Jede und jeder ist offensichtlich ihres/seines eigenen Unglückes Schmied*in. Dass ich das an meinem ersten Tag nach gut 3 Wochen Corona-Zwangsquarantäne erleben musste, macht schon sehr nachdenklich, insbesondere unter dem Eindruck meiner eigenen Infektion, die – der Göttin sei Dank – einen leichten Verlauf genommen hat, sich aber trotzdem ziemlich fies angefühlt hat. Ich musste lernen, dass trotz aller Vorsicht und Berücksichtigung der AHA-Regeln sich das Virus trotzdem unter die Maske bohrt.

 

Und gerade heute lese ich in der HAZ, dass die CDU-Fraktion aus Langenhagen zukünftig ihre Fraktionssitzungen nur noch per Videokonferenz durchführen wird - Gesundheitsschutz habe Vorrang. Recht haben sie, aber warum haben sie dann gestern im Rat gegen meinen Dringlichkeitsantrag gestimmt?

 

40 Tagesordnungspunkte hatte die Ratssitzung, so dass der Ratsvorsitzende Friedrichs (CDU), der diesmal souverän die Sitzung leitete, anregte, Redebeiträge direkt vom Platz zu machen, um so Zeit einzusparen, woran sich die meisten - bis auf wenige der üblichen Selbstdarsteller - auch hielten. Zeitsparend wurden zudem nicht strittige Umbesetzungen in den Ratsausschüssen en bloc abgestimmt.

 

Dann erfolgte die Einbringung des Doppelhaushaltes 2021/2022 durch den Bürgermeister. Die Haushaltseinbringung ohne direkte nachfolgende Erörterung erfolgt in der Regel im Herbst des jeweiligen Jahres zuvor, diesmal wegen Corona erst jetzt. Bürgermeister Heuer machte deutlich, dass in diesem Stadium des Haushaltes zuverlässige Aussagen über die Höhe der aufzunehmenden Schulden in den nächsten Jahren insbesondere unter Coronabedingungen einem Blick in die Glaskugel gleichkämen. Das vermöge er nicht – im Gegensatz zu einigen Ratsvertretern, die bereits im Sommer eine drohende finanzielle Katastrophe an die Wand gemalt hätten. Ein Großteil der derzeit rund 460 Millionen geplanten und dringend notwendigen Investitionen sind für den Schulbereich gedacht, vom Rat auch größtenteils schon beschlossen und sowieso unumgänglich. Eine jahrzehntelange Vernachlässigung der Schulinfrastruktur durch Rat und Verwaltung räche sich jetzt bitterlich. Auch das vom Rat beschlossene ambitionierte Klimaprogramm müsse zügig umgesetzt werden, was zusätzliche Personal- und Sachkosten unumgänglich mache.

 

Die Region und das Land haben für 2020 Corona-bedingte Steuerausfälle der Stadt zu großen Teilen abgedeckt, so dass der Nachtragshaushalt 2020 „nur“ noch mit einem Defizit von 4,5 Mio. € abschließe – Mitte des Jahres sei noch ein deutlich höheres Minus befürchtet worden. Ob Land und Region ihre finanzielle Unterstützung für die regionsangehörigen Kommunen auch in den Folgejahren auf diesem Niveau fortsetzen werden, sei völlig offen und bedürfe daher zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch den Blick in die berühmte Glaskugel. Für die Finanzabteilung der Stadt Langenhagen legte Frau Schmidt anschließend im Detail die zum heutigen Zeitpunkt absehbaren Finanzplanungen vor. Danach wäre eventuell in 2023 ein gesetzlich vorgeschriebenes Haushaltsicherungskonzept erforderlich. Aber … siehe Glaskugel.

 

Ja, und dann ging es in das leider seit vielen Sitzungen praktizierte Klein-Klein bei Finanzanträgen. In vorderster Linie wieder mal Ratsherr Dr. Mommsen von der BBL. Er kritisierte – formal durchaus zu Recht – dass ein Antrag für notwendige Mehrausgaben im Wohngeldbereich zunächst vom zuständigen Finanzausschuss in die Fraktionen gezogen wurde, wenige Tage später aber dann als Eilentscheidung am Rat vorbei von der Verwaltung und dem Vertreter des Bürgermeisters - dem Kollegen Minne von der SPD - umgesetzt wurde. Warum? Nun, die inhaltlich durchaus nachvollziehbare Eilentscheidung beruhte darauf, dass die auf Wohngeld angewiesenen Betroffenen nicht noch länger auf diese Unterstützung warten mussten und zudem gesetzlich diese Mittel auch ausgezahlt werden müssen. Und mal so ganz nebenbei – es handelt sich um einen durchlaufenden Posten - das Geld wird von der Region erstattet.

 

Anschließend problematisierte Dr. Mommsen in längeren Beiträgen die größer werdende Zuschusssituation für die Wasserwelt und interpretierte das als finanziellen Freibrief der Stadt für die Betreibergesellschaft. Mit Corona habe das (fast) nichts zu tun.

 

Da platzte dem ansonsten sehr zurückhaltenden CDU-Ratsherrn Soltau der Kragen. Er beschwerte sich lauthals, wie viel Zeit ihm durch die vielen Beiträge von Herrn Dr. Mommsen im Rat gestohlen werde und dieser Ratsherr müsse doch wissen, dass er mit seiner Position in einer absoluten Minderheitsposition sei.

 

Mit einem offensichtlich populistischen Antrag der SPD – a la „Wir können auch sparen“ - forderte die SPD die Möbel aus den alten Räumen in die Neubauten mitzunehmen. Meines Erachtens eine Anmaßung, denn das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Ausgerechnet Dr. Mommsen sprang in die für ihn ungewohnte Verteidigung der Stadtverwaltung, der mensch eine solche Selbstverständlichkeit nicht vorschreiben müsse. Recht hat er – doch dass die Verwaltungsverteidigung ausgerechnet von ihm kam, führte im Rat zu spöttischem Lachen – auch von mir.

 

Und dann gab es wieder das große Bündnis der Sparkommissare von den Grünen bis hin zur AfD. Mit 20:15 verhinderten sie gegen SPD und meine Stimme die Ausweitung eines offenen Angebotes für Kinder und Jugendliche beim IKEP der AWO. Mit der gleichen Mehrheit stellten sie die Förderung des Beratungsangebotes „Trennung und Scheidung“ in Kaltenweide unter den finanziellen Vorbehalt einer gesicherten Gegenfinanzierung. Für mich ist es immer wieder erschreckend, wie kleinkariert bei sozialen Einrichtungen gekürzt wird.

 

Zuletzt zu den städtischen Friedhöfen – eine, wie langjährige Ratsvertreter ausführten, mehr als ein Jahrzehnt andauernde Diskussion, die bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Bürgermeister Heuer sprach verklausuliert von Bestattungseinrichtungen, die offensichtlich eine erfolgreiche Lobbyarbeit in diversen Fraktionen machten. Der erste Stadtrat Herr Hettwer machte darauf aufmerksam, dass es seit 2017 bisher 33 Verwaltungsvorlagen zur Friedhofssituation gegeben habe, die Politik aber offensichtlich lieber externe Gutachter beauftrage, die im Kern nichts anderes vorschlügen, als es die Verwaltung bereits zuvor gemacht habe. Auch für mich ist die permanente Vergabe von teuren externen Gutachten zur Friedhofsgestaltung nicht nachvollziehbar – dieses Geld würde ich deutlich lieber für den sozialen Bereich einsetzen.

 

Aber vielleicht steckt ja auch noch mehr dahinter. Vor rund einem Jahr hatte sich die AfD lautstark gegen die geplante Friedhofsatzung ausgesprochen, weil diese auch muslimische Grabstätten vorsieht. Jetzt monierte Ratsherr Eilers (WG-AfL), dass die vorgesehenen Kosten für ein muslimisches Gräberfeld, bei dem der Bedarf nicht bekannt sei, viel zu hoch seien. Er plädierte daher dafür – wie auch die Grünen – die Friedhofsatzung nicht zu beschließen. Das erfolgte trotzdem mit großer Mehrheit – auch von der AfD, die vielleicht den Beschlussvorschlag nicht gelesen hatte (?).

 

Ob es am nächsten Montag nun zu einer weiteren Ratssitzung wie geplant kommt? Der Bürgermeister ließ Zweifel aufkommen und ich muss hier noch mal drauf rumreiten, dass der Rat es hätte selbst in die Hand nehmen können, wenn er denn gewollt hätte. Diese Chance hat er sehenden Auges vertan.