Klimaanträge leider verschoben und selbsternannte Sparkommissare wollen auch im Sozialbereich sparen.

48 Tagesordnungspunkte – und wenn mensch auch die Unterpunkte noch mitzählt, sogar 65 -das ist schon ein neuer Rekord für die bisherigen Ratssitzungen, wenn auch keiner, auf den der Rat stolz sein kann. Bei der Tagesordnungsdiskussion konnte ich leicht zur Reduzierung beitragen, indem ich drei linke Klimaanträge, die bereits in dem gemeinsamen Klimapaket Berücksichtigung gefunden hatten, zurückzog. Gleichzeitig beantragte ich angesichts der langen Tagesordnung, die schon mehrfach verschobenen Klimaanträge vorzuziehen und endlich zu behandeln. Doch im Vorfeld hatten sich offensichtlich SPD und CDU auf eine erneute Vertagung geeinigt. So gab es für meinen Antrag nur Unterstützung von der Gruppe Grüne/Unabhängige, die das gleiche wie ich beantragten. Fast wie bestellt folgte dann in der Einwohnerfragestunde die Beschwerde eines Bürgers, dass die Klimaanträge schon wieder verschoben wurden – Recht hat er.

Mi einer persönlichen Erklärung eröffnete Dr. Mommsen (BBL) den Reigen. Er fühlte sich zu Unrecht einem Rassismusvorwurf ausgesetzt, weil er in der vorherigen Ratssitzung wegen seiner Bemerkung „getürkt“ von der CDU-Kollegin Hopfe angegriffen und danach vom Ratsvorsitzenden dafür gerügt worden war. Dr. Mommsen versuchte erfolglos zu belegen, dass „türken“ doch keine Diskriminierung sei, musste sich aber anschließend von Frau Golotka (CDU) die Definition aus dem Duden anhören, dass „türken“ eine diskriminierende Bezeichnung für „täuschen“ sei.

Dann begannen – wieder einmal – die schon üblichen „BBL-Festspiele“: Zwei Anfang Juli eingereichte Anfragen zur Hermann-Löns-Schule und zum LAN/WLAN-Ausbau an Langenhagener Schulen sowie eine Aktuelle Stunde zum Digitalen Ausbau an den Schulen. Bürgermeister Heuer teilte kurz mit, dass diejenigen Verwaltungsangehörigen, die die Antwort der Stadt auf die Anfragen von Dr. Mommsen beantworten sollten, derzeit mit konkreten Problemen zu dieser Thematik völlig ausgelastet seien und er daher Prioritäten setzen müsse. Nach der Sommerpause könne er dann auf die gestellten Fragen antworten. Nach meiner Auffassung eigentlich ein Affront gegen ein gewähltes Ratsmitglied, aber angesichts der Tatsache, dass Herr. Dr. Mommsen gefühlt jede Ratssitzung mit Anfragen und aktuellen Stunden deutlich verlängert, kann ich die Reaktion des Bürgermeisters durchaus nachvollziehen.

Erheitert hat mich dann in der aktuellen Stunde die Behauptung von Dr. Mommsen, dass die über 500 Laptops, die auf Initiative des Bürgermeisters für Schulkinder angeschafft werden sollen, deren Eltern sich in der Corona-Auszeit diese notwendigen Geräte für das home-office finanziell nicht leisten können, nur dem ständigen Drängen der BBL im Rat zu verdanken sei. Es geht doch nichts über ein kräftiges Selbstbewusstsein.

Bei der Neubesetzung verschiedener Ausschüsse – eigentlich ein Selbstläufer, bei dem ich noch nie erlebt habe, dass es da Diskussionen gibt - trat plötzlich der Ratsvertreter Eilers (WG-AfL) auf den Plan und monierte, dass mit dem neu vorgeschlagenen Mitglied ein Vorstandsmitglied des Kita-Stadtelternrates von der CDU für den Jugendhilfeausschuss vorgeschlagen worden sei. Das habe ein Geschmäckle, zudem sich das CDU-Mitglied mit seiner Firma auch noch um die websites verschiedener CDU-Gliederungen kümmere.

Gerade Herr Eilers muss von Geschmäckle reden, ging es mir durch den Kopf. Derselbe Herr Eilers, der als Vorsitzender von Pro Airport bei meinem Antrag für ein Nachtflugverbot – siehe Ratssplitter 28: Gezerre um eine Stellungnahme zur neuen Nachtflugregelung und „Wess‘ Brot ich ess, dess‘ Lied ich sing“* - sich so intensiv gegen das Nachtflugverbot ausgesprochen hatte.

In einem leidenschaftlichen Plädoyer sprach sich beim TOP Grundschule Engelbostel Ratsfrau Mennecke (SPD) für einen möglichst zügigen Erweiterungsbau der dortigen Grundschule aus, während die CDU und Herr Eilers dies als Stückwerk kritisierten und für einen Abriss und vollständigen Neubau eintraten. Mit Mehrheit beschloss der Rat den Erweiterungsbau.

Völlig unverständlich für mich ist die zögerliche Haltung von Grünen/Unabhängigen bei der Diskussion zur Friedhofentwicklungsplanung und der Umsetzung eines schon vor etlichen Jahren beschlossenen separaten Gräberfeldes für Gestorbene mit muslimischem Glauben. Jetzt wollten die Grünen vorher noch einen Prüfauftrag, ob das denn gewünscht sei, obwohl es Rückmeldungen von Bestattungsunternehmen und muslimischen Gemeinschaften gibt. Merken insbesondere die Grünen nicht, dass sie damit – gewiss ungewollt – Ansinnen von bestimmten Kräften wie der AfD unterstützen, die die Bestattung von Muslimen in Langenhagen grundsätzlich ablehnen – so Dr. Klever (AFD) in einer der vorherigen Sitzungen des Stadtplanungs-, Bau- und Umweltausschusses. Der Rat beschloss dann aber die Friedhofentwicklungsplanung einschließlich des Bereiches für verstorbene Menschen muslimischen Glaubens mit großer Mehrheit.

Der Seniorenbeirat hatte aufgrund einer Gefährdung für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen einen Antrag in den Rat eingebracht, am Ortsausgang in Kaltenweide einen zusätzlichen Fuß- und Radüberweg zu schaffen. Von der Sache her sicherlich sinnvoll, aber hier liegt ärgerlicherweise die Zuständigkeit beim Land und der ehemalige Langenhagener SPD-Bürgermeister Fischer, heute Leiter der Landesstraßenbehörde, kann sich offensichtlich mit dem zusätzlichen Übergang nicht anfreunden. Da sollten die Langenhagener Genoss*innen mal nachhaken.

Ein Antrag der Grünen/Unabhängigen für die Teilnahme von Langenhagen in der bundesweiten „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen“ – diesen Antrag hatte ich eigentlich stellen wollen, die Grünen waren diesmal schneller – fand parteiübergreifend positive Rückmeldung. Frau Hopfe (CDU) machte zudem darauf aufmerksam, dass sich die Mitgliedschaft schon dadurch rechne, dass ohne teure externe Beraterleistungen positive Erfahrungen aus anderen Kommunen so von Langenhagen übernommen werden könnten. Ratsherrn Eilers war der jährliche Mitgliedsbeitrag von 2.500 € zu hoch. „Es geht ja auch nicht um Flugzeuge“ entfuhr es mir nicht gerade leise. Die Versammlung grinste.

Danach ging es - im Vergleich zu den vielen millionenschweren Bauvorhaben – um eher geringere Zuschüsse für soziale Einrichtungen wie das Mehrgenerationenhaus und die Lebensberatungsstelle der evangelischen Kirche. Gerade in der Corona-Zeit, so verschiedene Ratsmitglieder, suchten deutlich mehr Menschen diese Institutionen zur Beratung und Betreuung auf. Eigentlich ein Selbstläufer. Aber nun schlug die Stunde der selbsternannten Sparkommissare Dr. Mommsen (BBL), Dirk Musfeld (Grüne), Herrn Behrens (Unabhängige) sowie Herrn Eilers (WLA ) – die übrigens gefühlt zusammen mehr als 80% der gesamten Redezeit in der Ratssitzung bestritten. Alles nicht mehr finanzierbar, insbesondere nach Corona, so ihr Credo. Als Kollege Musfeldt dann auch noch den Vorschlag der Verwaltung angriff, die Raumreinigung im neuen Gymnasium in Eigenregie durchführen zu wollen und eine vorherige Wirtschaftsprüfung verlangte, platzte auch mir der Kragen. „Billiger ist eben nicht besser“ so meine Ausführung und ich erinnerte an den Stress vor mehr als 2 Jahren mit den privaten Reinigungsfirmen in den Schulen, die schlecht bezahlten Reinigungskräfte und die unzureichenden Reinigungsleistungen. Das bewog den Rat dann, zukünftig die KiTaS mit eigenem Personal zu reinigen. Alles vergessen, lieber Dirk?

Dann war es 21:30 Uhr – die angekündigte deadline für die heutige Ratssitzung. Immerhin sind wir bis TOP 27 gekommen. Der Rest der Tagesordnung soll in einer Woche am 20. Juli – in den Sommerferien !! – abgearbeitet werden. Einige Ratsvertreter*innen, darunter auch ich, sind dann schon im Urlaub. Hurra, Norwegen lässt uns wieder rein!

Der gesamte Themenblock „Klimaanträge“ ist dann nach den Sommerferien auf einer Ratssondersitzung am 14.09.2020 vorgesehen. Hoffentlich klappt es dann. Denn die parteiübergreifend erarbeiteten Klimaanträge können sich sehen lassen – wenn sie denn endlich beschlossen und umgesetzt werden.