Ratssitzungen in Langenhagen sind meistens langwierig, aber diesmal mussten wir den bisherigen Negativrekord erleben. Nach fast 3,5 Stunden und nur 11 von 36 behandelten Tagesordnungspunkten hatten die Ratsmitglieder im wahrsten Sinne „die Schnauze voll“ und vertagten die Fortführung der Sitzung um eine Woche.

Es fing schon sehr unglücklich an. Wegen Corona fand die Sitzung wieder in der Aula der IGS statt; von den rund 20 anwesenden Bürger*innen durften aber wegen der einzuhaltenden Mindestabstände nur 10 per Losverfahren in die Aula. Der Rest blieb außen vor, was aus Demokratie- und Transparenzgründen eigentlich nicht so sein sollte. Andererseits war die gesamte Empore – warum auch immer - nicht besetzt. Vielleicht ist da ja etwas für die nächste Sitzung machbar. An dieser Stelle will ich mir zudem die Bemerkung nicht verkneifen, dass die von mir schon zweimal beantragte größere Transparenz von Ratsentscheidungen mittels Livestream und Aufzeichnung leider – bisher – nicht von der Ratsmehrheit mitgetragen wird. Und es ging holprig und peinlich weiter.

In der Bürgerfragestunde attackierte der Sprecher der Bürger für Kaltenweide (BfK) Florian Windeck insbesondere die großen Parteien, weil sie in den letzten 10 Jahren die Infrastruktur von Kaltenweide stark vernachlässigt hätten und seiner Meinung nach auch auf ein Anschreiben der BfK gar nicht oder nur unzureichend geantwortet hätten. Insbesondere die Grundschule Kaltenweide sei jetzt schon überbelegt und das Schuldach seit vielen Jahren undicht. Die Bürgerfragestunde trägt aber ihren Namen deshalb, damit dort die Bürger*innen zu Wort kommen und den Rat und die Verwaltung auf diverse Probleme aufmerksam machen können. Doch diesmal fühlten sich die meisten Ratsparteien offensichtlich so angegriffen, dass sie sich gemüßigt fühlten, mehr oder weniger langatmig darauf reagieren zu müssen. Den „Zeitvogel“ schoss wieder einmal Ratsherr Dr. Mommsen von der BBL mit einem Monolog über die „böse Verwaltung“ ab. Aber auch Ratsherr Eilers (WLA) keulte aus, weil die Verzögerungen in Kaltenweide dadurch entstanden seien, dass die böse Ratsmehrheit den Kaltenweidern eine Ganztagsschule aufdrücken wolle, die "die Kaltenweider" aber nicht wollten. Spätestens hier hätte der Ratsvorsitzende Friedrichs eingreifen und deutlich machen müssen, dass die Bürgerfragestunde für die Menschen da ist, wonach sie benannt ist und nicht für Selbstdarstellungen verschiedener Ratsvertreter.

Obwohl so das halbstündige Zeitkonto für Teil 1 der Bürgerfragestunde längst überschritten war, ließ der Ratsvorsitzende – dankenswerter Weise - noch eine betroffene Mutter aus Kaltenweide zu Wort kommen, die deutlich machte, dass die notwendige vorgesehene Erweiterung der Grundschule Kaltenweide und die vom Rat beschlossene Erweiterung als Ganztagsschule durchaus miteinander zu vereinbaren seien. Doch die unter TOP 16 vorgesehene Vergabe der Dachsanierung der Grundschule Kaltenweide kam nicht mehr dran, weil es für manche ausschließlich männlichen Vielredner wohl Wichtigeres gab.

Jede Fraktion hat grundsätzlich das Recht, zu einem bestimmten Thema eine aktuelle Stunde zu beantragen – was insbesondere die BBL mit Dr. Mommsen sehr ausführlich wahrnimmt. Diesmal ging es um „Vertrauen einfordern / Vertrauen verspielen - Unzureichende Ausschreibungen und Vergaben im Hochbau lassen die Baukosten explodieren - ein Faktencheck aus aktuellem Anlass“ – so der vollständige Titel der von der BBL beantragten aktuellen Stunde, die das letzte Mal von den beiden großen Fraktionen - nach meiner Meinung unzulässigerweise - weggestimmt wurde.

Dr. Mommsen schickte seinen BBL-Kollegen Schubert ins Feuer, der angebliche Verfehlungen und Vorteilsnahmen bei der Sanierung der Hermann-Löns-Schule beanstandete und anschließend grinsend erklärte, die Vorwürfe im Detail aus der Akteneinsicht würden in diesen Minuten per Mail an die Ratsmitglieder verschickt. Diese Provokation der Informationszurückhaltung bremsten die Ratsparteien dadurch aus, dass so gut wie alle auf ihr Recht auf Erwiderung verzichteten – auch ich schweren Herzens – und so die BBL-Provokation ins Leere lief. Doch fünf weitere Tagesordnungspunkte der BBL standen ja noch aus.

Angesichts der ewiglangen Tagesordnung hatte der Rat zu Beginn die vernünftige Entscheidung getroffen, die Veräußerung der Eishalle an die Johanniter vorzuziehen. Ich bedauerte in meiner Stellungnahme zu diesem TOP nochmal, dass die große Ratsmehrheit den Abriss dieser bundesweit raren inklusiven Einrichtung für den Eissport beschlossen hatte, begrüßte aber ausdrücklich die jetzige Vergabe an die Johanniter für eine zentrumsnahe Rettungsstation als zweitbeste Lösung. Dr. Mommsen jedoch konnte sich wieder mal nicht zurückhalten und kritisierte, dass hier ein baugrundliches „Filetstück“ im Zentrum nicht an einen Investor für teures Geld verkauft würde – und das bei der angespannten Finanzlage der Stadt.  Aber egal, was die Verwaltung macht, in den Augen von Dr. Mommsen ist es eh immer falsch. Das hat den Rat dann aber richtigerweise nicht gehindert den Verkauf mit deutlicher Mehrheit zu beschließen.

Nahezu bei jedem Tagesordnungspunkt pöbelte Dr. Mommsen weiter gegen den Bürgermeister und den Stadtbaurat, immer mit dem Tenor „unrechtmäßig, Korruptionsverdacht, Hintergehung des Rates, Verdacht der Haushaltsuntreue und Vorteilsnahme“ – halt seine übliche Leier. Diesmal konterten die Angegriffenen in deutlicher Klarheit, und Bürgermeister Heuer erläuterte zudem sehr ausführlich seinen von ihm eingeführten Stil als Verwaltungschef nach der Devise: „geht, wenn..“ statt „geht nicht“. Dieses werde von den meisten Mitarbeiter*innen der Verwaltung positiv aufgenommen. Dr. Mommsen wurde zunehmend aggressiver, hinterfragte Möbelbestellungen, wunderte sich über ausgestellte Rechnungen, obwohl kein Geld da sei und sprach dann von „getürkten“ Unterlagen. Für diese Wortwahl musste er sich nach Intervention der CDU-Ratsfrau Hopfe entschuldigen und provozierte mit seinen Verleumdungen gegen die Verwaltung derart, dass Ratsfrau Golatka (CDU) den Ratsvorsitzenden aufforderte, Herrn Dr. Mommsen eine Rüge zu erteilen, was dieser dann auch für den Wiederholungsfall androhte. Mensch wird sehen, ob der Ratsvorsitzende Friederichs in den nächsten Sitzungen auf ähnliche Verleumdungen schneller und deutlicher reagieren wird.

Der großen Ratsmehrheit reichte es dann kurz vor 21.30 Uhr; die Sitzung wurde für 1 Woche auf Antrag mit der Begründung „schlechte Stimmung“ unterbrochen, was viele wirklich als Erleichterung empfanden, mich eingeschlossen. Hier wurde leider wieder wertvolle Lebenszeit vergeudet, was ich auch beim Rausgehen von diversen anderen Ratsmitgliedern hörte. Wichtige TOPs wie die Sanierung der Grundschule Krähenwinkel, Brandschutzmaßnahmen im Rathaus, Umgang mit Zuwendungen an Vereine und vieles mehr fielen nun aus Zeitgründen erstmal hinten runter. Danke Dr. Mommsen!

Aus meiner Sicht war das ein weiterer Tiefpunkt meiner bisher erlebten Ratssitzungen; aber wenn ich mir die ebenfalls von der Tagesordnung aus Zeitgründen runtergeflogenen weiteren BBL-Anträge ansehe, befürchte ich, dass der absolute Tiefpunkt noch nicht erreicht ist.