Auf Grund der Sitzung des Betriebsausschusses Stadtentwässerung habe ich eine Stellungnahme zur Ratsvorlage 2018/317 "Gründung einer interkommunalen Gesellschaft bmH zum Zwecke der Kooperation auf dem Gebiet der Klärschlammverwertung" geschrieben, die ich hier dokumentieren möchte.

Derzeitige Situation:

Der geplante Einstieg der Stadt Langenhagen in eine gemeinsame kommunale Gesellschaft, die eine ordnungsgemäße Entsorgung von Klärschlamm gemäß Klärschlammverordnung erreichen will, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die bisherige Praxis der Mitverbrennung von Klärschlamm in Zementöfen oder Müllverbrennungsanlagen wird aufgrund zunehmender Klärschlammmengen perspektivisch schwerer und ist zudem aus Umwelt- und Gesundheitsgründen u.a. wegen der Emissionen dieser Anlagen abzulehnen.

Klärschlammverbrennung die einzige Alternative?

Der nun vorgelegte Verwaltungsvorschlag reduziert mögliche Alternativen auf eine Monoklärschlammverbrennung und ignoriert mögliche umweltverträglichere Alternativen. Die Behauptung in der Vorlage, dass eine Klärschlammverbrennung durch die neue deutsche Klärschlammverordnung vom 27. September 2017 zwingend geboten ist, ist nachweislich falsch.

Dort heißt es vielmehr in § 3 der Verordnung: Der Klärschlammerzeuger hat den in seiner Abwasserbehandlungsanlage anfallenden Klärschlamm möglichst hochwertig zu verwerten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Hierbei sind eine Rückgewinnung von Phosphor und eine Rückführung des gewonnenen Phosphors oder (Hervorhebung: F. Weck) der phosphorhaltigen Klärschlammverbrennungsasche in den Wirtschaftskreislauf anzustreben.

D.h., eine Klärschlammverbrennung ist eine Möglichkeit der Phosphorentfernung aus dem Klärschlamm, aber bei weitem nicht der einzige. Alle diese Verfahren befinden sich noch in der Entwicklung.

Ich habe in der Sitzung ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg zitiert, in dem in einer Machbarkeitsstudie verschiedene Wege der Phosphorentfernung aus dem Klärschlamm vorgestellt werden. Zur Klärschlammverbrennung führt die Studie auf S. 7 u.a. aus: „Der Ausbau von Monoverbrennungsanlagen und die damit verbundene Zentralisierung der Klärschlammentsorgung sind sehr kostspielig und zeitaufwändig, was einer kurz- bis mittelfristigen Realisierung entgegensteht.“

https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Umwelt/Machbarkeitsstudie_Phosphorrueckgewinnung_Klaeranlage_Goeppingen.pdf

Und eine solche Anlage soll nun als angebliche alternativlose Variante in Hildesheim mit der gemeinsamen kommunalen Gesellschaft errichtet werden.

Auch der BUND hat sich zur Klärschlammverbrennung positioniert und kommt zu dem Fazit:

Alternativen anwenden

Derzeit gibt es verschiedene Techniken, den Klärschlamm vor der Aufbringung auf die Böden so zu bearbeiten, dass Risiken vermindert werden können. Zumeist wird darauf aus Kostengründen verzichtet.

Finanzielle Mittel aus den Abwassergebühren könnten dafür eingesetzt werden. Dabei würden keine neue Abgaben fällig, da die Verbrennung der Klärschlämme weitaus teurer ist. Je nach Rahmenbedingungen und vorhandenen Anlagen können verschiedene Maßnahmen sinnvoll sein.

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/position/klaerschlamm_position.pdf

Abgesehen davon, dass eine Verbrennungsanlage insbesondere aus Klimaschutzgründen absolut kontraproduktiv ist.

Auch das Umweltbundesamt befasst sich mit alternativen Verfahren:

Entwicklungen alternativer Klärschlammbehandlungsverfahren

Als weitere Alternativen zu den thermischen Behandlungsverfahren sehen Experten sogenannte chemischphysikalische Verfahren, wie beispielsweise die Nassoxidation, Hydrolyse, die Hydrothermale Carbonisierung (HTC) oder die Hydrothermaloxidation (supercritical water oxidation) an. Derzeit werden auch eine Reihe von weiteren Klärschlammvergasungs- und -pyrolyseverfahren entwickelt. Als Beispiele können dafür die Verfahren Pyreg, Pyrobuster oder das Klärschlamm-Reforming-Verfahren genannt werden. Die hier aufgeführten alternativen Behandlungsverfahren befinden sich zumeist aber noch im Entwicklungsstadium oder wurden bisher nur in sehr geringer Zahl großtechnisch getestet. Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/180425_uba_fb_klaerschlamm_bf_low.pdf

 

Gemeinsame kommunale Klärschlammverwertungsanlage als GmbH?

Auch hier habe ich ernsthafte Bedenken, dass eine kommunale Kontrolle der geplanten Gemeinschaftseinrichtung und eine regelmäßige Unterrichtung der Ratsgremien schlicht an den GmbH-Vorschriften scheitern könnte und der Einfluss der einzelnen Kommunen zu gering ist.

Ein Beispiel Anfang der 80-er Jahre: Als die damalige SPD-Grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein, die die Mehrheit am Atomkraftwerk Brokdorf hielt, den Gesellschaftszweck ändern und aus der Atomkraft aussteigen wollte, wurde das gerichtlich verhindert, weil ein solcher Beschluss dem Gesellschaftszweck „ein Atomkraftwerk zu betreiben“ widerspreche.

Ähnliches kann uns als Kommune Langenhagen auch in der geplanten GmbH passieren. Wenn wir uns vorschnell vertraglich festlegen, eine Verbrennungsanlage zu betreiben, sich dann aber im Laufe der Zeit Alternativverfahren als umweltgerechter und auch kostengünstiger erweisen, kann der Gesellschaftszweck „eine Klärschlammverbrennungsanlage zu betreiben“ nicht geändert werden, zudem ist keine Ausstiegsklausel im Vertrag enthalten.

Beispielsweise würde ein kommunaler Zweckverband solche Gefahren nicht enthalten.

 

Fazit:

Wir sollten trotzdem der gemeinsamen Einrichtung beitreten, aber uns nicht einseitig auf die Verbrennung festlegen. So können gemeinsame Alternativen entwickelt werden. Beginnen wir frühzeitig mit der Entwicklung entsprechender Konzepte, haben wir zudem gute Chancen, dafür erhebliche EU-Fördergelder (EFRE-Mittel) zu bekommen. Baden-Württemberg kann hier als Vorbild dienen und hat dafür für seine Kommunen erhebliche Fördermittel freigemacht.

https://um.baden-wuerttemberg.de/de/wirtschaft/ressourceneffizienz-und-umwelttechnik/foerderprogramm-phosphor-rueckgewinnung/

Angesichts der rechtlichen Einschränkung durch das GmbH-Recht sind zudem andere Gesellschaftsformen wie beispielsweise der kommunale Zweckverband zu wählen, um den kommunalen Einfluss auf die gemeinsame Einrichtung zu erhalten.