ISEK: weiterer Beratungsbedarf, Selbstbedienung für Vielseitigkeitsreiter gestoppt und Ratsmehrheit gegen soziale Komponente beim Digitalprojekt der IGS Süd. 

Schon lange habe ich mich von dem naheliegenden Analogieschluss verabschiedet, dass mit einer kurzen Tagesordnung des Rates auch die Ratssitzung kürzer wird. Und so war es auch dieses Mal. Erst kurz vor 22 Uhr war die Ratssitzung nach 3 1/2 Stunden beendet.

Wie schon bei der letzten Ratssitzung waren trotz Pandemiebeschränkungen wieder viele Einwohner*innen aus Kaltenweide zur Einwohner*innenfragestunde gekommen, um ihren Unmut über den ISEK-Entwurf 2030 (ISEK = Integriertes Stadtentwicklungskonzept) kundzutun und positive Anregungen zu geben. In der Kritik der Menschen aus Kaltenweide steht die unzureichende Infrastruktur für die vorgesehene Wohnraumerweiterung von Kaltenweide sowie insbesondere die Planung für einen mehrstöckigen Wohnraumkomplex auf dem ehemaligen NP-Gelände am Ortseingang. Dieser „verschandele“ nach Ansicht vieler Anwohner*innen die gewachsene dörfliche Struktur, sei viel zu groß geplant und vertrüge sich auch nicht mit der benachbarten Landwirtschaft. Innerhalb weniger Tage hatte daher ein Bürger aus Kaltenweide eine Umfrage vor Ort initiiert, um Alternativen zu ermitteln. 708 Rückmeldungen kamen zusammen und reichten von Alternativ-Cafe, Restaurant, Blühwiese, Altenbegegnungsstätte, Mehrgenerationenhaus bis zum letzten Platz mit 2,7 % das im ISEK vorgesehene große Mietshaus. Frau Lachkham, eine Sprecherin des Vereins „Bürger für Kaltenweide“, hatte zuvor schon auf die fehlende Infrastruktur verwiesen, die einer maßvollen Erweiterung der Wohnbebauung in Kaltenweide entgegenstehe.

Das ISEK-Thema wurde in der von der BBL beantragten anschließenden aktuellen Stunde weiter vertieft. Dr. Mommsen von der BBL kritisierte, meines Erachtens zu Recht, dass der ISEK-Entwurf 2030 die für den Klimaschutz notwendigen Vorgaben aus dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht berücksichtige und daher überarbeitet werden müsse.  Die fachliche Erörterung des ISEK ist – nachdem die Beschlussfassung auf der vergangenen Ratssitzung noch mal geschoben wurde - für die Sitzung des Stadtplanungsausschusses am 3. Juni vorgesehen.  Dazu hatte ich nach der letzten Ratssitzung auch einen Ergänzungsantrag vorgelegt, der neben dem fehlenden Klimaschutz, der Nichtberücksichtigung des Naturschutzes, der fehlenden Infrastruktur für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums auch die weitere Zerstörung von natur- und landwirtschaftlichen Flächen kritisiert und entsprechende Alternativen formuliert.

„Etwas Licht, viel Schatten“ fasste ich den Redebeitrag von Dr. Mommsen zusammen, der – wieder einmal – einen guten Ansatz wie den Klimaschutz – durch heftige Angriffe auf die Verwaltung selbst zunichte machte. Andreas Eilers von der WLA, der sich selbst wohl für den besseren Bürgermeister hält, wiederholte langatmig alles, was schon mal am ISEK kritisiert wurde, nur diesmal noch nicht von ihm, pöbelte in Mommsenscher Manier gegen die Verwaltung, nur noch deutlich gröber und schaffte es auf dieser Sitzung sogar, Herrn Dr. Mommsen bei der Redezeit noch zu übertreffen. Eine Steilvorlage lieferte dazu allerdings auch Dr. Köhler von der SPD, der schnodderig ausführte, die Einwohner*innen von Engelbostel und Godshorn hätten mit Verkehr aus den Logistikbereichen viel mehr Stress und von daher verstehe er die Aufregung der Kaltenweider*innen nicht.

Fazit: Auch wenn in einer „Aktuellen Stunde“ keine Beschlüsse gefasst werden dürfen, so zeichnet sich nach den diversen Beiträgen aus dem politischen Raum doch ab, dass es zumindest eine Sondersitzung des Fachausschusses zum ISEK geben könnte. Ob diese dann am ursprünglichen Termin des Stadtplanungs-, Bau- und Umweltausschusses am 03. Juni 2021 stattfindet, ist derzeit noch offen. Ebenso offen ist, ob das wirklich ausreicht. In meinem Antrag habe ich unter anderem eine endgültige ISEK-Entscheidung erst nach erneuter und hoffentlich aktiverer Einwohner*innenbeteiligung in der nächsten Wahlperiode des Rates vorgeschlagen.

Der Langenhagener Verein für Vielseitigkeitsreiterei hat auf einem Grundstück einer Familie seit Jahren einen Übungsplatz und wurde im Rahmen der Sportförderung von der Stadt Langenhagen im Aufbau des Platzes großzügig unterstützt. Nun gibt es offensichtlich erbitterten Streit in der Familie und der Vereinsvorsitzende, CDU-Ratsherr in Langenhagen und Mitglied besagter Familie – möchte von der Stadt einen neuen Reitplatz finanziert bekommen, obwohl der ursprüngliche Platz nach Aussage anderer Familienmitglieder für den Verein weiterhin zur Verfügung steht. Dieses Thema lungerte schon länger auf der Tagesordnung von Fachausschüssen und Rat herum, wurde aber immer wieder verschoben; ist ja auch ´ne peinliche Nummer. Auch SPD und Grüne sprachen sich deutlich gegen eine entsprechende Förderung aus, nur der CDU-Fraktionssprecher Veltrup eierte herum. Ergebnis: Die Doppelförderung wurde bei 9 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen aber letztlich vom Rat mehrheitlich abgelehnt.

Der nächste Antrag resultierte aus der Initiative der Schulleiterin der IGS-Süd, Mascha Brandt, die Schule zukunftsorientiert aufzustellen und allen Schüler*innen - unabhängig vom sozialen Hintergrund - mit zeitgemäßen Lernsettings die Möglichkeiten zu bieten, sie zu digital mündigen  Menschen heranwachsen zu lassen. Dazu ist es notwendig, Kinder, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz (BuT) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) beziehen, finanziell durch die Stadt Langenhagen bei der Anschaffung der vorgesehenen iPads zu unterstützen. Die Verwaltung hatte entsprechende Drucksachen erstellt, die – eigentlich – ein Selbstläufer sein könnten. Doch weit gefehlt.

Die Vorsitzende des Langenhagener Schulausschusses Anja Sander (SPD) stellte den Antrag vor und lobte diese digitale Eigeninitiative der Schule. Dies war Anlass für die stellvertretende Ratsvorsitzende Jagau von Bündnis 90/Die Grünen in einem längeren Beitrag ihre Meinung kundzutun, Digitalisierung schade den Entwicklungschancen der Kinder und Heranwachsenden und könne zur Computersucht führen. Auch Dr. Klever von der AfD schloss sich freudig ihrer Interpretation an. Wolfgang Kuschel von der SPD, der frühere Leiter der IGS Langenhagen, fasste diese Äußerungen süffisant zusammen. Wie jetzt gegen die Digitalisierung gab es früher ähnliche Vorurteile gegen die Anschaffung von Taschenrechnern in den Schulen und davor gegen die Abschaffung der Schiefertafel. Bei den von der IGS-Süd beantragten iPads für Kinder handele es sich um notwendige Schulausstattung, nicht um „Daddelgeräte“.

Die weitere Diskussion verlief teilweise abgründig. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/DIE Grünen Dirk Musfeldt sah in dem Antrag der IGS für die iPads eine „Luxusfinanzierung“, die sich die Stadt aufgrund ihrer Schuldenlage nicht leisten könne. Sein Gruppenkollege Behrens  wollte den Punkt vertagen und Ratsherr Eilers polterte langatmig, die Verwaltungsvorlagen seien unvollständig und die iPads sowieso viel zu teuer.

Ich hatte die Anregung von Rabea Lachkham aus der Einwohner*innenfragestunde noch mal aufgenommen, die unter anderem darauf verwiesen hatte, dass es etliche Kinder gebe, die nur knapp oberhalb der finanziellen Grenze des BuT und des AsylblG liegen. Daher stellte ich den Antrag, dass die Verwaltung mit einer Härtefallregelung auch diese Kinder berücksichtigen solle. Mein Antrag wurde von den meisten Ratsmenschen der SPD unterstützt – das war es dann aber auch. Soziale Härten zu berücksichtigen ist offensichtlich leider auch bei (christlich-sozialen) Ratmitgliedern nicht en vogue.

Den Verzicht auf eine Härtefallregelung bedauerte auch Rabea Lachkham in der abschließenden 2. Einwohner*innenfragestunde ausdrücklich.

 

Und abschließend: Das ist mir gar nicht peinlich. Seit meiner ersten Ratssitzung im Herbst 2016 erscheint am Tage danach zur Mittagszeit meine persönliche Bewertung der jeweiligen Sitzung als „Ratssplitter“, der auf der Facebook Seite im „politischen Langenhagen“ durchaus breit gelesen und auch kommentiert wird. Diesmal erscheint der Ratssplitter Nr. 50 erst am Abend des Folgetages. Der Besuch des Otterzentrums in Hankelsbüttel mit unseren Enkeln hatte eindeutig Vorrang.